Längst vergangen: Thriller (German Edition)
sehen«, sagt Gabby. »Ich dachte schon, du wärst vielleicht tot.«
TEIL II
– 15 –
Mein Schreibtisch im Arbeitszimmer der Universität ist übersät von ungelesenen Literaturzeitschriften und unkorrigierten Arbeiten der Studenten. Ich schiebe sie beiseite, um Platz zu schaffen, dann ziehe ich Lisas Karte aus der Tasche und hebe den Telefonhörer ab.
Ich wähle die Nummer und warte.
Draußen scheint die Sonne kalt und hell. Ich höre das laute Geplapper der Studenten, die unter meinem Fenster vorbeigehen. Ihre Stimmen vermischen sich, dann verklingen sie.
Nach dem fünften Klingeln knackt es in der Leitung, und der Anrufbeantworter schaltet sich wieder ein.
»Hier spricht Jake Reese. Ich versuche, Lisa Bishop zu erreichen.«
Ich hinterlasse meine Nummer, dann hänge ich ein und lehne mich auf dem Stuhl zurück. Dianes Ring liegt auf meinem Schreibtisch. Ich hebe ihn auf und drehe ihn in meinen Händen, dann lege ich ihn auf den Schreibtisch und drehe ihn wie eine Münze.
Er blitzt im Sonnenlicht.
»Jake?«
Ich sehe auf. Doug steht in der Tür.
»Hast du eine Minute?«
Ich hebe Dianes Ring auf und drücke ihn in meine Hand, spüre, wie er sich in meine Handfläche gräbt. »Los, komm rein.«
Doug tritt ein und lässt seinen Blick schweifen. Er deutet auf einen Stapel Bücher auf einem Stuhl und sagt: »Darf ich etwas Platz schaffen?«
»Fühl dich ganz wie zu Hause.«
Doug legt die Bücher auf den Boden, nimmt Platz. »Wer ist Lisa Bishop?«
»Was?«
»Der Anruf.« Er zeigt zur Tür. »Ich habe gehört, was du gesagt hast.«
»Du hast gelauscht?«
»So würde ich das nicht nennen, aber jetzt bin ich neugierig. Also, raus damit. Wer ist sie?«
»Eine Hellseherin«, sage ich. »In Arizona.«
»Das ist ein Scherz.«
»Nein.«
Doug hält inne. »Muss ich fragen?«
Ich hebe Lisas Visitenkarte von meinem Schreibtisch auf und reiche sie ihm. »Die hab ich in Dianes Koffer gefunden. Ich glaube, sie hat sie besucht, als sie letzten Monat da unten war. Ich will wissen, worüber sie gesprochen haben.«
Doug liest beide Seiten der Karte und runzelt die Stirn. »Warum?«
Ich mache den Mund auf, aber ich habe keine Antwort.
Ein Gespräch mit Lisa bringt Diane nicht zurück, und es ändert nichts an dem, was passiert ist, warum will ich also mit ihr reden? Was bringt mir das?
»Ich will wissen, was sie beschäftigt hat.«
Doug nickt. »Wie geht’s dir denn?«
»Ich stürze mich in Arbeit.«
»Hilft dir das?«
»Wenn du gekommen bist, um über meine Gefühle zu sprechen ...«
»Ich stelle nur eine Frage«, sagt Doug. »Du hast niemandem etwas erzählt. Es ist fast eine Woche her, und wir tappen alle im Dunkeln. Gibt es eine Beisetzung?«
»Hab ich noch nicht entschieden. Wenn ich so weit bin, sag ich Bescheid.«
»Okay.« Er gibt mir die Karte zurück. »Also, Lisa Bishop, das Mädel mit den Antworten.«
»Was soll ich denn machen? Ich kann nicht einfach im Haus rumsitzen. Dann werde ich wahnsinnig.«
Doug deutet auf den Stoß von Hausarbeiten auf meinem Schreibtisch und sagt: »Du könntest Arbeiten korrigieren?«
»Ganz in meiner Arbeit aufgehen?«
»Wenn es hilft, ja.« Doug beugt sich vor und stützt die Ellbogen auf die Knie. »Apropos Arbeit, wir müssen da über etwas sprechen.«
Ich sehe ihn an und warte.
»Anne Carlson war bei mir. Sie hat mir erzählt, dass sie dich neulich nach Hause gefahren hat und dass die Polizei bei dir zu Hause war. War das wegen Diane?«
Ich nicke. »Was wollte sie denn?«
»Sie war besorgt. Sie hat gesagt, du siehst nicht gut aus.«
»Aber was wollte sie?«
»Sie bat mich, mit dir zu reden«, sagt Doug. »Sie will meine Meinung über deinen Geisteszustand hören.«
»Meinen Geisteszustand?«
»So hat sie es ausgedrückt.«
»Sie will wissen, ob du mich für verrückt hältst.«
»Sie will wissen, wie du dich unter Stress schlägst und ob dein Privatleben deinen Job beeinträchtigt.«
»Will sie mich feuern?«
»Natürlich nicht«, sagt Doug. »Sie will helfen.«
Ich starre ihn an und warte, dass er weiterspricht.
Doug sieht an mir vorbei auf die Bücherregale hinter meinem Schreibtisch. »Sie hat einen bezahlten Urlaub erwähnt, bis die Sache wieder ins Lot kommt. Dann hast du Zeit, wieder auf die Füße zu kommen.«
Ich lasse das einen Moment sacken. »Was hast du darauf geantwortet?«
»Dass ich mit dir reden würde. Sie macht sich Sorgen um dich. Alle machen sich Sorgen.«
Ich drehe mich in meinem Stuhl herum und sehe zum Fenster hin.
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