Längst vergangen: Thriller (German Edition)
ruhig gestellt.«
Mein Mund wird von innen sauer.
Ich schlucke.
»Ich habe mit keinem von beiden ein Wort gesprochen, darum haben sie Angst. Ich wollte dir das Fragen überlassen. Bist du damit einverstanden?«
Ich nicke.
»Gut, denn er ist bereit zu reden.«
»Bist du sicher?«
»Selbstverständlich.«
»Und wenn er das nicht ist?«
Gabby widmet sich wieder den Vögeln. Er holt tief Luft, hält den Atem an, dann sagt er: »Ich werde niemanden töten, mein Junge. Da ziehe ich heutzutage die Grenze.«
Ich bin nicht sicher, ob ich ihm glauben soll oder nicht, also bin ich schlau und halte den Mund.
Gabby sieht mich an und lächelt. »Keine Sorge, der redet schon. Und wenn nicht ...« Er hält seine Hand hoch und wedelt mit den Fingern. »Ich habe eine Menge Keile.«
– 19 –
Ich folge Gabby nach unten und durch die Werkstatt zur betonierten Laderampe hinter dem Gebäude. Ein Mann in einem schweren schwarzen Mantel sitzt auf einem Klappstuhl neben einer metallenen Doppeltür. Als er Gabby erblickt, steht er auf und drückt auf einen Summer an der Wand.
Ein paar Sekunden später höre ich in weiter Ferne einen Motor.
Als er verstummt, zieht der Mann einen Segeltuchriemen aus der Tür, und die beiden Seiten teilen sich und öffnen sich zu einem Lastenaufzug.
»Wir fahren nicht gemeinsam runter«, sagt Gabby. »Die sehen mich nur, wenn es sein muss.« Er klopft sich mit einem Finger an die Seite seines Kopfs. »Stifte mal etwas Verwirrung.«
Ich starre den Mann im schwarzen Mantel an, der vor dem Aufzug steht. »Bist du sicher, dass du im Ruhestand bist?«
Gabby lacht, und wieder überrascht mich das Geräusch.
»Das ist Kevin. Er bringt dich hinein und wieder hoch, wenn du so weit bist.«
Ich nicke.
»Einverstanden, Jake?«
»Ja.«
»Falls nämlich nicht, kann ich einspringen und ...«
»Ich bin doch einverstanden.«
Gabby beobachtet mich eine Minute schweigend.
»Nur nervös«, sage ich. »Mir geht zu viel im Kopf herum. Ich kann es schwer bändigen.«
Gabby steht vor mir und legt eine Hand auf meine Schulter. »Du musst einzig und allein an deine Frau denken.«
Die Worte sind wie ein Stromschlag, und alle meine Zweifel in Bezug auf mein Vorhaben verglühen.
»Verlier nicht dein Ziel aus den Augen. Vergiss nicht, warum du hier bist.« Er reibt mir grob die Wange. »Wir reden, wenn du hochkommst.«
Ich habe das Gefühl, etwas sagen zu müssen, aber es gibt nichts mehr zu sagen. Es ist Zeit.
Gabby sieht an mir vorbei und nickt Kevin zu, dann dreht er sich um und geht in seine Werkstatt zurück.
– – –
Ich steige in den Aufzug, und Kevin schiebt die Tür zu. Es gibt nur einen einzigen Knopf. Er drückt ihn, dann tritt er zurück und lehnt sich an die Wand.
Nichts tut sich.
Ich sage: »Wir bewegen uns nicht.«
»Warten Sie eine Minute.« Er zeigt auf eine schwarze Kameralinse über der Tür. »Die können langsam sein.«
Ich sehe zur Kamera hoch. »Jemand beobachtet uns?«
»Der Lift wird vom Keller aus gesteuert, es sei denn, man hat einen Schlüssel. Die sehen gern, wer kommt.« Er nickt in Richtung Linse. »Bitte recht freundlich!«
Ich lächele nicht.
»Wie lange arbeiten Sie schon für Gabby?«
»Drei Jahre«, sagt er. »Bin mit einem Bus aus Iowa gekommen. Dachte mir, hier könnte es auch nicht schlimmer sein.«
»Stimmte das denn?«
»Ja, zum Teufel. Iowa, soll das ein Witz sein? Selbst draußen bei ihm auf dem Schrottplatz war es besser als in Iowa.«
»Auf dem Platz sind Sie jetzt nicht mehr.«
»Nee, nicht mehr.«
Ich mustere ihn und versuche, sein Alter zu erraten. Er wirkt jung, vermutlich unter zwanzig, und ich bin nicht überrascht. Gabby hat immer schon Straßenkinder aufgelesen. Er nimmt sie auf und gibt ihnen einen Job und eine Bleibe, mehr noch, einen Platz, wo sie hingehören. Er gibt ihnen eine Familie.
Viele von ihnen bleiben nicht lange, aber die, die bleiben, sind ihm auf ewig treu ergeben, und Gabby weiß das.
Manchmal frage ich mich, ob ich anders war.
»Was ist mit Ihnen?«, fragt Kevin.
»Was soll mit mir sein?«
»Wie lange kennen Sie den Alten?«
»Den Alten?«
Kevin räuspert sich und stellt sich etwas gerader hin. »Mr. Meyers. Seit wann kennen Sie Mr. Meyers?«
»Gabby«, sage ich. »Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben lang.«
Er nickt. »Das erklärt es dann wohl.«
»Was erklärt was?«
»Was er da unten getan hat.« Kevin hält inne. »Er hat das zur Chefsache erklärt. So was hab ich noch nie gesehen.«
Ich starre ihn einen
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