Laennaeus, Olle
zuwendet, blitzt ein Goldzahn in seinem Mund auf.
«Ich geb ihr manchmal einen Klaps auf
den Hintern, wenn ich drankomme. Sie hüpft jedes Mal zur Seite. Aber ich weiß, dass
sie es gern hat.»
Dann erblickt er die Medizindose auf
dem Tisch. Wirft einen Blick über seine Schulter und öffnet dann die Dose vorsichtig,
nimmt die drei Tabletten heraus und betrachtet sie in seiner Handfläche.
«Sie denken, dass man völlig verblödet
ist», murmelt er.
Mit einer schnellen Handbewegung wirft
er die Pillen weg, sodass sie im Rosenbeet hinter der mageren, bekümmerten Frau
vom anderen Tisch landen. Sie merkt nichts.
Kurt Nilsson zwinkert Konrad verschmitzt
zu.
«Ich werfe sie dahinten hin, damit
Gun denkt, dass einer von diesen Idioten da sie verloren hat», flüstert er vertraulich.
Konrad lacht auf.
«Smart...», sagt er bestätigend.
In seinem Körper breitet sich eine
gewisse Unruhe aus. Es ist nicht ganz leicht, Kurt Nilssons gedanklichen Irrwegen
zu folgen. Und es scheint womöglich noch schwieriger zu versuchen, seine Gedanken
zu steuern. Konrad hat den Eindruck, dass er lediglich seine dünne Angelschnur
und seinen armseligen Angelhaken im Meer der Erinnerungen auswerfen kann, die Kurt
Nilssons fast neunzigjähriges Leben ausmachen. Die Vorstellung, ein Monster zu
fangen, das sich möglicherweise in der Tiefe versteckt hält, scheint allerdings
nicht besonders verlockend.
Aber er beschließt, es noch einmal
zu versuchen.
«Kurt, kannst du mir nicht ein bisschen
mehr von deiner Arbeit als Polizist erzählen?»
«Polizist? Nein, Soldat bin ich gewesen.
Und zwar ein verdammt tüchtiger Soldat, wenn ich das so sagen darf.»
«Du warst doch Kriminalkommissar hier
in Tomelilla.»
«Niemals! Da musst du mich mit jemandem
verwechseln. Wie war nochmal dein Name?»
«Konrad. Ich bin dein Neffe», entgegnet
Konrad und spürt, wie die Schamesröte seine Ohrläppchen heiß werden lässt.
«Ach genau, so war es ja.»
«Du hast viele schwere Verbrechen aufgeklärt.
Mord und Diebstähle. Und Fälle mit Personen, die verschwunden sind ...», versucht
Konrad es.
Der Alte scheint ihn nicht zu verstehen.
«Es war ein hartes Brot. Das Soldatenleben.
Manchmal haben wir gehungert. In den Schützengräben haben uns die Ratten angenagt.
Aber keine Sekunde lang habe ich es bereut, mich als Soldat ausbilden zu lassen.»
Kurt Nilsson verstummt, und Konrad
betrachtet sein unergründliches Gesicht. Seine Augen, die einmal von klarem Blau
waren, aber mit zunehmendem Alter grau und wässrig geworden sind, scheinen in weiter
Ferne nach Bildern zu suchen.
Der alte Kommissar summt leise eine
Melodie vor sich hin, die wie Marschmusik klingt.
«Division Nordland», sagt er plötzlich.
«Der stolzeste Verband im gesamten verdammten Reich. Mein Gott, wie tapfer haben
wir damals gekämpft!»
Er schüttelt den Kopf angesichts einer
offenbar angenehmen Erinnerung von früher. Dann wird sein Blick ernst.
«Die rote Gefahr. Die Kommunisten.
Denen musste man Einhalt gebieten. Sie waren überall und haben sich wie Ungeziefer
ausgebreitet. Wo sind die eigentlich inzwischen? Ist der Krieg vorbei?»
Mit einem Mal sieht Kurt Nilsson aus,
als sei er bereit, jeden Moment aus dem Rollstuhl zu springen, sich den Helm aufzusetzen
und sein Gewehr zu schultern.
«Hast du unter ... Hitler gedient?»,
fragt Konrad forschend.
Warum hat Gudan mir nichts davon erzählt?,
denkt er. Weiß sie etwa nichts von Kurt Nilssons Vergangenheit? Das scheint ihm
eher unwahrscheinlich. Vielleicht passt es nur nicht zu ihrer romantischen Lebenslüge,
dass der Gegenstand ihrer Leidenschaft ein alter Nazi war.
«Hitler», schnaubt der Alte.
«Ja?»
«Wer macht sich denn schon was aus
Hitler ...»
Plötzlich sieht es aus, als würde es
in den Augenwinkeln des Alten leicht feucht werden.
«Viele fähige Jungs haben ihr Leben
gelassen. Bis hin nach Stalingrad. Verdammt, was für eine Hölle. Die Pisse ist uns
zu Eis gefroren. Läuse und Ungeziefer. Es war die Kälte, die den meisten den Rest
gegeben hat. Die Beine sind ihnen in den Stiefeln abgefault.»
Er reibt sich die Augen.
«Aber wir haben nicht aufgegeben. In
Berlin haben wir bis aufs Messer gekämpft. Junge Knirpse haben sie eingezogen,
die kaum trocken hinter den Ohren waren. Zum Schluss gingen sie ein wie die Fliegen.
Wir haben versucht, uns bis zur Weidendammer Brücke durchzuschlagen, aber die Russen
haben unseren Panzer zerschossen. Johansson und Ryden wurden da drin gebraten. Tja,
und dann ist der
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