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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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Frauen haben sich beschützend
vor den alten Kommissar gestellt, der inzwischen völlig das Interesse an seinem
Besucher verloren hat.
    «Ich muss Sie bitten, unmittelbar das
Gelände zu verlassen», zischt Gun.
    Konrad kommt sich wie ein Idiot vor.
Was ist nur mit mir los?, denkt er. Wie zum Teufel kann ich gegen einen alten, kraftlosen
Greis nur derart aufbrausen? Aber er war so verdammt nahe dran. Wenn er Kurt Nilsson
nur dazu gebracht hätte, sich an diesem winzigen Puzzleteil seiner Erinnerung noch
eine kurze Zeit festzuklammern. Er hebt resigniert die Hände und steht auf.
    «Es tut mir leid, das wollte ich nicht...»
    «Sie können direkt durch den Garten
hinausgehen», sagt Gun grimmig und weist ihm die Richtung.
    Sie folgt ihm mit missbilligendem Blick.
Konrad wirft Kurt Nilsson, der mit seinem Rollstuhl zur Vogeltränke gerollt ist
und nun mitten in der prallen Sonne steht, einen letzten Blick zu. Durch sein spärliches,
akkurat gekämmtes Haar hindurch sind ein paar braune Muttermale auf dem Schädel
zu erkennen. Der Alte turtelt mit den Spatzen. Sie wirken so zahm, dass sie kurz
davor sind, sich auf seine Hand zu setzen.
    «Meine kleinen gefiederten Freunde»,
krächzt er heiser. «Kommt her, Papa sorgt dafür, dass euch die böse Katze nicht
holt.»
    «Auf Wiedersehen, Kurt», sagt Konrad.
    Der Alte schaut auf. Es ist, als hätte
sich ein grauer Schleier über seine Augen gelegt. Er blickt vollkommen verständnislos
drein.
    «Wer sind Sie?»
    «Niemand. Gar niemand», entgegnet Konrad.
    Als er wieder auf die Straße tritt,
ist er enttäuscht und erleichtert zugleich. Aber vor allem entsetzlich müde. Er
hält inne, atmet tief durch und überlegt, wie sein nächster Schritt aussehen könnte.
    Ein Lastwagen donnert vorbei und schreckt
eine Katze auf, die verängstigt in den nächsten Busch springt. Ansonsten ist es
still. Das blaue Schulgebäude auf der anderen Straßenseite sieht verlassen aus.
Kein Wunder. Es sind ja Sommerferien.
    Einige Erinnerungen flattern vorbei.
Doch sie enthalten keinerlei Gerüche.
     
    KAPITEL 29
     
    G ertrud liegt
auf einem Liegestuhl im Innenhof. Sie schläft. Der verschlissene Stoff der Sitzfläche
ist ausgeblichen und der Holzrahmen grau und spröde. Alles, was er von ihr sieht,
sind ein paar rote Locken, die sich über die Oberkante des Stuhls ringeln, und
eine schlaffe Hand, die über die Armlehne herunterhängt.
    Im Gras um sie herum wächst Löwenzahn.
Es ist still, nur ganz leise ist Tanzmusik zu hören, die aus dem gekippten Fenster
im zweiten Stock kommen muss.
    Als Konrad vorsichtig näher kommt,
sieht er, dass Gertrud flammend rot im Gesicht ist. Die Sonne brennt unbarmherzig
auf ihre Haut. Aus ihrem feuchten Haar an den Schläfen rinnen kleine Schweißperlen
den Hals hinunter und verschwinden zwischen ihren Brüsten, die sich unter der dünnen,
blaugeblümten Baumwollbluse abzeichnen.
    Auf ihrem Bauch liegen ein Buch und
eine billige Lesebrille. «Schnee» von Orhan Pamuk. Gut gegen die Hitze, denkt er.
    Als er gerade ihren Namen flüstern
will, wacht sie auf. Sie blickt sich schlaftrunken um. Ihre Augen sind gerötet,
und sie blinzelt verwirrt.
    «Verdammt, ich muss eingeschlafen sein.»
    «Guten Morgen», sagt Konrad, weil ihm
einfach nichts anderes einfällt.
    Gertrud setzt sich mühsam auf.
    «Vorhin hab ich noch im Schatten gesessen»,
erklärt sie und schaut zum Pflaumenbaum, der seinen kühlenden Schatten inzwischen
über den Fahrradständer wirft.
    Sie betrachtet den Baum misstrauisch,
als hätte er etwas verbrochen.
    «Sie muss gewandert sein, die Sonne.»
    «Mm ...», entgegnet Konrad. «Das hat
sie so an sich.»
    Sie lacht auf, verlegen.
    «Also ... Ich bin irgendwie noch nicht
ganz wach.»
    Konrad gibt ihr einen raschen Kuss
auf die Stirn und macht sich sofort Sorgen, wie sie reagieren wird. Sie schmeckt
salzig. Gertrud scheint seine unerwartete Zärtlichkeit gar nicht besonders zur
Kenntnis zu nehmen.
    «Es war irgendwie ganz merkwürdig»,
sagt sie. «Als ich hier gelegen und gelesen habe, kam es mir vor, als ob mir jemand
nachspioniert. Ich hab es sozusagen auf meiner Haut gespürt. Es war irgendwie ...
unheimlich.»
    « Nachspioniert?»
    «Ja, ich hab Geräusche gehört. Die
Haustür hat geknarrt. Aber als ich mich umgedreht hab, war keiner zu sehen.»
    Sie zieht die Schultern hoch, als wolle
sie vermeiden, dass es sie schüttelt. Konrad weiß nicht, was er glauben soll.
    «Irgendwer hat mich beobachtet. Ich
bin mir fast sicher. Erst hab ich

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