Laennaeus, Olle
erzählen. Auf dem Platz
seitlich von der Anhöhe, an der sie gerade vorbeifahren, findet ein Fußballspiel
der Juniorenmannschaft statt. Sie hören aufgeregte Rufe und schließlich ein lautes
Pfeifen.
«Ich war heute im Altersheim in Byavängen.
Bei dem Kommissar, der die Ermittlungen geleitet hat, als es um das Verschwinden
meiner Mutter ging.»
«Ich wusste gar nicht, dass er noch
lebt.»
«Gudan hat es mir erzählt. Sie hat
nämlich irgendwann mal 'ne Romanze mit ihm gehabt.»
«Ehrlich?», fragt Gertrud und wirkt
plötzlich amüsiert.
«Inzwischen ist er allerdings ein vertrockneter
alter Knacker. Ehrlich gesagt, 'n verdammter Rassist. Er hat mir gesteckt, dass
er Nazi war und während des Krieges auf Seiten der Deutschen gekämpft hat. Er wirkte
ziemlich senil und verkalkt, aber ich hatte trotzdem den Eindruck, dass er etwas
über Agnes wusste.»
«Und hat er es dir nicht erzählt?»
Konrad schüttelt den Kopf.
«Nicht viel jedenfalls. Er schien einige
wenige klare Momente zu haben. Da hat er Andeutungen gemacht. Aber dann ist er
wieder irgendwo im Nebel verschwunden. Schwer zu sagen, was wahr und was eher ein
Hirngespinst war.»
Als Konrad ihre Hand auf seinem rechten
Arm spürt, der auf dem Lenkrad ruht, möchte er, dass sie sie dort liegen lässt.
«Du solltest vielleicht mal mit Sven
reden», schlägt sie vor.
«Mit Sven?»
«Ja, er hat in seiner Freizeit einige
Forschungen angestellt, im Hinblick auf den Nationalsozialismus hier in Skäne.
Er hat in seinem Arbeitszimmer ein richtiges Archiv angelegt.»
Plötzlich brennt Gertruds Blick so
intensiv auf seiner Wange, dass er ihr in die Augen schauen muss.
«Er verabscheut das alles. Rassismus,
Homophobie, Schikane im Allgemeinen. Und er hat ja auch gute Gründe, nicht?»
Konrad nickt. Das letzte Stück der
Fahrt verbringen sie schweigend.
D as Tor der
Strafvollzugsanstalt liegt in einer kleinen Sackgasse, nicht weit entfernt von
der Autobahn nach Lund und dem Hochhaus, in dem die Zeitung Sydsvenskan untergebracht
ist. Die hohen Mauern sind mit Stacheldraht gekrönt. Kameras spähen von der Fassade,
und das massive alte Gebäude strahlt Kühle aus.
Gertrud betätigt die Gegensprechanlage,
während Konrad bemüht ist, nicht direkt in die Kamera zu schauen, die unmittelbar
daneben angebracht ist. Eine metallene Stimme fordert sie auf, ihre Namen zu nennen.
Dann öffnet sich das Tor mit einem Klicken.
«Besuch für Lennart Myrberg», sagt
Gertrud zu dem anonymen Gesicht, das sich innerhalb der Schleuse hinter dem Panzerglas
abzeichnet.
Eine weitere Tür öffnet sich. Sie passieren
einen Körperscanner und müssen sich dann einer Leibesvisitation durch jeweils einen
weiblichen und einen männlichen Gefängnisaufseher unterziehen.
«Medizin, Drogen, Waffen?», fragt die
Frau eintönig. Konrad widersteht der Versuchung, mit Ja zu antworten. Beide schütteln
den Kopf und werden durch die nächste Gittertür hindurchgelassen. Hinter dem Fenster
eines Wachraums leuchtet eine ganze Batterie von Bildschirmen.
Lehe sitzt bereits in der Besucherzelle
und wartet. Er sieht natürlich viel älter aus, als Konrad ihn in Erinnerung hat.
Er muss weit über fünfzig sein. Sein Haar ist grau, aber immer noch dick und schulterlang.
Der mörderische Blick ist verschwunden. Jetzt lächelt er mild wie eine Erlösergestalt.
Die Muskeln unter seinem enganliegenden Unterhemd sind allerdings ziemlich ausgeprägt.
Lehe trägt ein Paar gefängnisgrüne Hosen und Badeschlappen aus Plastik an den Füßen.
«Gertrud! Meine liebe Schwester!»
Er steht auf, und Gertrud verschwindet
in seiner innigen Umarmung.
Konrad wartet ein Stück hinter ihr.
Betrachtet die deprimierende Einrichtung der Zelle: eine kunststoffbeschichtete
Pritsche, die nach dem Besuch von Ehefrauen und Freundinnen augenscheinlich leicht
abzuwischen ist. Zwei schlichte Stühle mit Lehne. Ein Kieferntisch ohne Tischtuch.
Ein Bild, das einen Elch darstellt, der auf eine Lichtung blickt. Und in der Ecke
einige phantasielose Plastikspielsachen für Kinder von Besuchern.
«Drücken Sie auf den Knopf, wenn Sie
fertig sind, dann kommen wir und lassen Sie raus», sagt die Aufseherin, die sie
hereingebracht hat, und knallt die Tür hinter ihnen zu.
Dann richtet Lelle seinen Blick an
Gertrud vorbei auf Konrad, den er erst jetzt wahrzunehmen scheint.
«Hallo», sagt Konrad verlegen.
Lelle entlässt Gertrud aus seiner Umarmung
und streckt eine kräftige Hand vor. Die Tätowierung auf seinem Unterarm
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