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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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mir oben
steht noch ein Paket.»
    Er zieht sich das Hemd über, ohne es
aufzuknöpfen, und öffnet die Wohnungstür.
    «Oh», hört er Gertrud mit erstaunter
Stimme ausrufen. «Es ist schon nach zwölf.»
    Drei rasche Sprünge pro Treppe, nackte
Füße auf kaltem Stein. Das Paket mit Kaffeepulver steht im Schrank oberhalb der
Kochplatte, genau wie er vermutet hat. Als er wieder in Gertruds Wohnung hineinhuschen
will, hört er, wie die Haustür zuschlägt.
    Der Briefträger, denkt er. Dann kann
ich ja gleich noch in den Postkasten schauen.
    Darin liegen zwei Kuverts mit Sichtfenster
und jede Menge Werbung, wie immer. Er legt den Stapel auf der Spüle ab und setzt
sich an den Küchentisch ans Fenster. Durch die Dunkelheit bekommt man ein Gefühl,
als hätte der Herbst Einzug gehalten. Auf dem Tisch stehen ein Glas Marmelade und
ein Korb mit Toastbrot. Die Kaffeemaschine gibt bereits ein heimeliges Blubbern
von sich.
    Als der Kaffee fertig ist, gießt Gertrud
ihn in zwei Becher mit japanischen Schriftzeichen und setzt sich auf den Stuhl gegenüber.
Sie kratzt sich vorsichtig mit dem Finger an der Nasenspitze. Es ist, als verliehen
die Wolken ihren Augen eine intensivere grüne Nuance.
    «Was glaubst du, wer es war?», fragt
sie.
    «Der Herman und Signe erschossen hat?
Keine Ahnung.»
    «Jemand, der von ihrem Lottogewinn
wusste? Der dachte, sie hätten eine Menge Geld in der Schublade?»
    «Vielleicht. Oder jemand, der rein
zufällig vorbeikam.»
    Sie schüttelt langsam den Kopf.
    «Ich muss immer wieder an Klas denken
...»
    Konrad wägt den Gedanken in seinem
Kopf ab. Er ist ihm keinesfalls neu. Aber er taugt nichts. Klas mag ein gewaltbereiter
Despot sein. Launisch und ziemlich jähzornig. Doch Konrad muss an Leif Bogrens Worte
über den mutterfixierten Sohn denken. Er kann sich einfach nicht vorstellen, wie
Klas Herman und Signe auf die Knie zwingt, ihnen eine Pistole an den Kopf hält und
ihnen das Hirn wegbläst.
    «Seine eigenen Eltern?», fragt Konrad
zweifelnd. «Das glaub ich nicht...»
    Gertrud wechselt rasch das Thema.
    «Und warum hat der Mörder die Pistole
ausgerechnet an Feriz weiterverkauft?»
    «Er wollte sie wohl loswerden. Dieser
Sigge Möller scheint ein Typ zu sein, der öfter brandheiße Waffen verschiebt und
dafür sorgt, dass sie verschwinden. Dass ausgerechnet Feriz den Revolver gekauft
hat, ist vielleicht Zufall.»
    Gertrud wirkt nicht gerade zufrieden
mit seiner Erklärung. Sie beißt in ihren Marmeladentoast und steht auf, um Kaffee
nachzuschenken.
    «Du hast Post bekommen», sagt sie mit
vollem Mund und weist auf den Papierstapel, den Konrad hereingebracht hat.
    «Nur 'n paar Rechnungen.»
    «Nein, guck dir mal den hier an. Ein
persönlicher Brief. Eine Rarität heutzutage.»
    Sie hält mit triumphierender Miene
ein weißes Kuvert hoch.
    «Er ist in den Stapel mit der Werbung
gerutscht», sagt sie. «Abgestempelt in Stockholm.»
    Mit einer Drehung aus dem Handgelenk
schnickt sie ihn in die Luft, sodass er vor Konrad auf dem Tisch landet.
    Konrad Jonsson, Tomelilla, steht dort
kurz und knapp.
    «Jemand, der deine Adresse nicht weiß»,
sagt Gertrud. «Aber das ist ja kein Problem. In diesem Kaff kennt jeder jeden. Eher
unwahrscheinlich, dass ein Brief mal nicht ankommt.»
    «Ich glaube, ich ahne ...», sagt Konrad
und öffnet vorsichtig den Umschlag. In seiner Magengegend breitet sich ein Kribbeln
aus.
    Dort steht sauber von Hand geschrieben:
    Konrad Jonsson
    Das, was vor bald vierzig Jahren in
Tomelilla geschehen ist, hat mich mein ganzes Leben lang gequält. In Fyledalen,
drei Kilometer südöstlich von Röddinge, macht die Schotterstraße eine Biegung quer
über das Tal und überquert dann den Fluss und die Eisenbahnschienen. Dort verläuft
ein schmaler Pfad in Richtung der nördlichen Hügelkette. Dicht neben einer steilen
Felswand liegt ein Steinhaufen. Vier große Steine, pyramidenförmig angeordnet. Darunter
liegt sie begraben. Deine Mutter.
    Er legt den Brief zur Seite und starrt
vor sich hin. Keine Unterschrift. Aber Konrad begreift sofort.
    Das geheimnisumwitterte Tal. Der Fluss,
der sich wie eine Schlange durch die Weidelandschaft windet und zwischen bewaldeten
Hügelketten hindurchfließt. Das Abenteuerland, in dem Konrad und Sven sich vor
langer Zeit in Indianer, Helden im Krieg der Sterne oder in Seeräuber verwandelt
haben, die auf den Meeren Schrecken verbreiteten. Die Spur der Hirsche im Schnee.
Die Überschwemmungen im Frühjahr. Die Eisenbahnschienen. Die Raubvögel, die

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