Laennaeus, Olle
ihm zu nagen. Doch er schüttelt
ihn ab. Ich hätte es schon lange tun sollen, denkt er. Es ist nicht mehr als recht
und billig. Vielleicht war es gut so, dass die alten Geschichten am Ende an die
Oberfläche gekommen sind, sodass er die Chance bekommt, etwas wiedergutzumachen.
Vielleicht kann sich sein schlechtes Gewissen jetzt beruhigen.
Es ist, wie es ist. Pfui Teufel, ist
das Leben eintönig.
Dann zieht er seine Lederhandschuhe
über und nimmt den Brief und seine Lesebrille aus der Tasche. Öffnet das Kuvert,
das bereits frankiert ist. Seine Handschrift wirkt etwas zitterig, stellt er fest.
Vielleicht liegt es daran, dass er ihn heimlich geschrieben hat, eingeschlossen
in der Toilette, während Lisbet das Abendessen zubereitet hat. Aber er hat sich
bemüht, eine angemessene Sprache zu finden. Gunnar kann sich nicht erinnern, wann
er zuletzt einen Brief geschrieben hat. Einen privaten. Man kann ihn schließlich
nicht mit den Briefen der Sozialversicherung vergleichen.
Konrad Jonsson Das, was vor bald vierzig
Jahren in Tomelilla geschehen ist, hat mich mein ganzes Leben lang gequält. In Fyledalen,
drei Kilometer südöstlich von Röddinge, macht die Schotterstraße eine Biegung quer
über das Tal und überquert dann den Fluss und die Eisenbahnschienen ...
Das Geräusch sich nähernder Schritte
lässt ihn aufschrecken. Auf dem Bürgersteig kommt ihm eine Frau entgegen. Irgendwoher
kennt er sie. Verdammt, hoffentlich ist es keine Kollegin von der Versicherung!
Aber sie geht an ihm vorbei, ohne ihn anzusehen. Ohne die letzten Zeilen zu lesen,
steckt er den Brief schnell in den Umschlag, verschließt ihn, wirft ihn in den Briefkasten
und beeilt sich, wieder zurück zum Auto zu kommen.
Als er die Wohnungstür öffnet, hört
er erneute Lachsalven aus dem Fernseher. Lisbet sitzt immer noch auf dem Sofa. Die
Schale mit Schokokugeln ist inzwischen fast leer, und der Lottoschein liegt zerknüllt
auf dem Fußboden.
«Hast du nichts gewonnen?»
«Nee.»
«Auch egal...»
Er geht in die Küche und holt sich
ein Bier aus dem Kühlschrank. Öffnet die Dose mit einem Zischen und sinkt neben
ihr vor den Fernseher. Sie wirft ihm rasch einen Blick zu.
«Willst du dir kein Glas holen?»
Gunnar Nilhem seufzt tief und steht
wieder auf. Aber er spürt, dass seine Kiefermuskeln nicht mehr so stark angespannt
sind.
«Und einen Untersetzer, sonst bekommt
der Tisch Flecken.»
Als er sich wieder aufs Sofa gesetzt
hat, tätschelt sie ihm unvermittelt die Wange. Dann beginnt die Sportschau.
KAPITEL 34
A ls das Telefon
klingelt, hat er noch immer den Geschmack von Gertruds salziger Haut auf den Lippen.
Es klingelt fünfmal, bis einer von ihnen reagiert.
Im Halbschlaf bekommt er mit, wie sie
sich nach dem Hörer streckt. Ihn etwas unbeholfen abnimmt, sich räuspert und ein
schlaftrunkenes «Ja?» murmelt. Die Bettdecke ist ihr von den Schultern geglitten.
Ihre Haut ist warm. Weiche Locken fallen zwischen ihren Schulterblättern herab.
Er presst sein Gesicht gegen ihr Rückgrat.
«Für dich», sagt sie und reicht ihm
den Hörer. Er nimmt ihn widerwillig entgegen. «Warum haben Sie denn Ihr Handy ausgeschaltet?»
Die Stimme ist fordernd, fast anklagend. Es ist Palander, und er keucht, wie immer.
Das geht Sie gar nichts an!, will Konrad entgegnen und am liebsten den Hörer auf
den Boden werfen. Stattdessen brummelt er irgendwas von einem leeren Akku. Doch
Palander scheint kein Interesse an einer Erklärung zu haben.
«Es ist einiges passiert», sagt er.
«Und was?»
«Sind Sie wach?»
Konrad setzt sich im Bett auf.
«Ja, verdammt...»
Er wirft einen Blick aus dem Fenster.
Die Jalousie ist bis zur Hälfte heruntergezogen. Es sieht aus, als sei es immer
noch dunkel. Wie spät ist es eigentlich? Auf dem Boden stehen zwei leere Weingläser.
«Ich habe von meiner Kontaktperson
bei der Polizei gerade eine wichtige Information erhalten. Der Betreiber hat Feriz'
Handy überprüft. Die Aussage von dieser Fatima stimmt. Ihr Bruder hat genau zu dem
Zeitpunkt telefoniert, von dem sie behauptet hat, mitgehört zu haben. Und nicht
mit irgendjemandem ...»
Palander verstummt.
Offenbar genießt er es, Konrad auf
die Folter zu spannen.
«Mit wem denn?»
«Mit Sigge Möller.»
«Sollte ich den kennen?»
«Berüchtigter Gangster aus Malmö. Hält
sich überwiegend um den Möllevängstorg herum auf. Hat verschiedene Eisen im Feuer.
Drogen, Diebstähle, Hehlerei und eine Menge anderen Scheiß. Er ist keiner von den
richtig Großen,
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