Laennaeus, Olle
selbst die anständigsten Mädchen, die sich normalerweise
aus allem heraushielten, grölten und tobten wie die Hooligans.
Veronica stand mitten im Klassenzimmer
und versuchte, sie, so gut es ging, zu bremsen. Der Glanz in ihren Augen war erloschen
und durch pure Verzweiflung ersetzt. Man sah ihr an, dass sie den Tränen nahe war.
«Hört auf! Das ist überhaupt nicht
lustig. Jetzt hört ihr aber sofort auf!», rief sie mit sich überschlagender Stimme.
Plötzlich reckte Benny den Arm in die
Luft. Wie ein siegesgewisser Heerführer gelang es ihm, die Menge zu beruhigen.
Die Klasse starrte ihn mit einer Mischung aus Angst und Bewunderung an. Benny schürzte
die Lippen zu einem überlegenen Grinsen. Er schien die Situation in vollen Zügen
zu genießen.
«Ich hab den Eindruck, das Fräulein
würde zu gern mal an einem dicken, fetten Polacken-Schwanz lecken», sagte er nahezu
schmeichlerisch. «Komm schon, Kack-Konrad, zeig ihr doch mal, was du draufhast!»
Bennys vernichtender Kommentar löste
dreierlei Reaktionen aus, die alle auf ihre Weise heftig waren.
Die Klasse explodierte förmlich vor
Lachen, Brüllen und Kreischen. Stifte, Bücher, einfach alles, was nicht niet- und
nagelfest war, flog durch den Raum in Richtung der inzwischen völlig verängstigten
Lehrerin und natürlich in Richtung Konrad.
Veronica brach in Tränen aus und stürzte
aus dem Klassenzimmer.
Und Konrad, er fuhr von seinem Stuhl
hoch und stürzte sich mit brennender Wut auf seinen Feind. Der erste Schlag war
ein Volltreffer, und Konrad nahm den Geruch von Blut wahr. Benny war von seiner
eigenen Meisterleistung so entzückt, dass er völlig vergessen hatte, in Deckung
zu gehen. Einen kurzen Augenblick blieb er sitzen und starrte verwundert auf die
rote Flüssigkeit, die von seiner Nase herab ins Schulbuch tropfte. Dann rastete
er aus.
Brüllend wie ein brünstiger Stier warf
Benny sich auf seinen Widersacher. Konrad hätte genauso gut von einem Bus angefahren
werden können. Er wurde mehrere Meter nach hinten geschleudert und landete mit gut
und gerne achtzig Kilo Lebendgewicht über sich auf dem Fußboden. Die gesamte Atemluft
wurde mit einem Zischen aus seinem schmächtigen Brustkorb gepresst. Und als Bennys
fleischige Faust schließlich gegen seine Wange prallte, wurde alles um ihn herum
rabenschwarz.
D ennoch war
es eher das Nachspiel, das tiefe Wunden riss und in Konrads junger Seele Narben
hinterlassen sollte. Zwei Stunden nach dem Drama saß er im Büro des Rektors auf
der Anklagebank. Vor der Tür war er Benny mit einer blutgetränkten Mulltamponade
im Nasenloch und der für ihn typischen spöttischen Miene begegnet. Genau in dem
Moment, als sie aneinander vorbeigingen, formte dieser die Lippen zu einem lautlosen
«Kack-Konrad», das keiner außer Konrad sah.
Bennys Blessur war rein gar nichts
gegen Konrads, der eine dicke Lippe und ein zugeschwollenes blauschwarzes Auge davontrug
und unter Kopfschmerzen litt, die sich anfühlten, als blase in seinem Hirn jemand
Basstuba. Als er wieder zu sich gekommen war, hatte er außerdem mit der Zunge gespürt,
dass ein Backenzahn locker war.
Hinter dem Schreibtisch saßen Rektor
Sune Alling und sein Stellvertreter, der kein Geringerer war als Donald Göransson.
Alling war der athletische Typ. Ein ehemaliger Sportlehrer, der seine Eleven im
Geiste Pehr Henrik Lings drillte und schließlich befördert wurde, als er sich dem
Rentenalter näherte. Körperlich war er noch immer robust. Wenn er bei seinen Runden
über den Schulhof nur ein wenig den Bauch unter dem Jackett einzog, konnte er sich
zumindest einreden, dass er wie ein Sportsmann aussah. Es ging das Gerücht, dass
Alling in seiner Jugend einen Hang zum Nationalsozialismus gepflegt hatte. Vielleicht
war es aber auch nur üble Nachrede. Wie dem auch sei, nur einem Blinden konnte es
entgehen, dass er gutgebaute blonde Athleten einem schmächtigen Polackenbengel
allemal vorzog.
«Ziemlich ernste Geschichte», sagte
Alling einleitend in strengem Ton.
Göransson pflichtete ihm nickend bei
und fuhr sich mit der Hand durch seine graue Mähne.
«Aufruhr im Klassenzimmer und ein regelrechter
Angriff auf einen Klassenkameraden. Das können wir natürlich nicht tolerieren»,
fuhr er fort.
«Stell dir nur vor, du hättest Benny
ernsthaften Schaden zugefügt. Er ist immerhin unserer wichtigster Mann in der Schulmannschaft.
Zumal das Spiel gegen Sjöbo bald stattfindet», klärte Alling ihn auf.
«Aber er hat angefangen», piepste
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