Laennaeus, Olle
zurückkehren?
Natürlich kehrt er zurück. Die Frage
ist nur, wann.
Die Stimme am Telefon, er kennt sie
nur zu gut, und wiederum doch nicht. Etwas an ihrem Tonfall verunsichert ihn. Vielleicht
hat er gehofft, dass sie ihm deutlicher zeigen würde, was ihr an ihm liegt.
Er beschließt, die Frage, die eigentlich
der Grund für seinen Anruf war, doch nicht zu stellen. Dann muss er eben auf andere
Weise an Geld kommen.
Konrad beendet das Gespräch wie immer.
Sonja klingt plötzlich auch wie immer.
Du fehlst mir. Küsschen. Wir sehen
uns bald.
Konrad legt auf und fühlt sich irgendwie
verunsichert.
D as vierte Telefonat
führt er erst gar nicht. Die Villa des Rechtsanwalts Birger B. Berelius liegt ohnehin
so nahe, dass er nur knappe zehn Minuten braucht, um vom Hotel aus dorthin zu spazieren.
Das düstere Steinhaus lässt ihn zögern,
genau wie beim ersten Mal. Der Efeubewuchs und all die schattigen Flächen bis weit
in den Garten hinein geben ihm das Gefühl, möglicherweise nie wieder herauszufinden.
Es gibt Ecken, in die die Sonne niemals hineinreicht, nicht einmal jetzt, wo sie
von einem knallblauen Himmel brennt. Hexenringe im Gras. Apfel, die bereits faulen,
noch bevor sie reif geworden sind.
Es ist der Rechtsanwalt selbst, der
öffnet. Konrad kommt sich wie ein Bettler vor.
Doch Berelius klingt herzlich, auch
wenn Konrad sein Kommen nicht angekündigt hat.
«Konrad Jonsson, was für eine Überraschung!»
«Störe ich?», fragt Konrad und flucht
innerlich darüber, dass er so verdammt unterwürfig klingt.
«Auf keinen Fall. Komm rein.»
Berelius schüttelt ihm die Hand und
führt ihn in den Flur. Die genervte Nichte, die einen Ferienjob brauchte, ist nirgends
zu sehen. Vielleicht hat sie keine Lust mehr. Oder ist rausgeworfen worden.
«Ich habe einen Gast, den du begrüßen
musst», sagt der Rechtsanwalt mit dem Rücken zu ihm.
Im Sessel neben dem kleinen Besuchertisch
sitzt ein Mann. Konrad sieht über die hohe Rückenlehne hinweg zuerst nur seinen
Nacken. Weißes wogendes Haar fällt ihm vom Hinterkopf in Richtung Hemdkragen. Eine
altmodische Duftnote umgibt den Gast. Haarwasser. Oder ein Rasierwasser einer älteren
Marke.
«Hier, Arvid, kommt Konrad Jonsson,
von dem ich gerade erzählt habe», sagt Berelius.
Er zieht Konrad ein wenig am Arm, sodass
schließlich beide vor dem Sessel des alten Mannes stehen.
«Darf ich vorstellen, Arvid Linder.
Professor emeritus für Strafrecht. Mein alter Lieblingsdozent aus dem Juridicum
in Lund. Hart, aber gerecht. Nulluni crimen sine lege. Kein Verbrechen ohne Gesetz.
So was hat Arvid uns trägen Studenten eingebläut. Aber das ist lange, lange her.»
Berelius' Lachen klingt etwas angestrengt.
Man merkt, dass er immer noch Respekt vor seinem alten Lehrmeister hat.
Arvid Linder trägt helle Sommerhosen
und eine dünne Freizeitjacke über einem blaugestreiften Hemd, das am Hals aufgeknöpft
ist. Ein sich scharf abzeichnender Adamsapfel wölbt sich unter der faltigen Haut.
Sein Gesicht ist braun gebrannt und wettergegerbt, er muss sich viel im Freien aufgehalten
haben. Linders Hände sind riesig, und Konrad bekommt unweigerlich den Eindruck,
dass der Professor schon mit bedeutend schwereren Gegenständen als mit Gesetzbüchern
hantiert haben muss. Arvid Linder sieht ziemlich groß aus, auch wenn seine Körpergröße
in sitzender Position schwer zu schätzen ist. Er betrachtet Konrad mit freundlichen,
stahlgrauen Augen. Macht jedoch keine Anstalten aufzustehen, um ihn zu begrüßen.
«Sie müssen entschuldigen, wenn ich
nicht aufspringe. In meinem Alter muss man sich solche Übungen gut einteilen.»
«Kein Problem», entgegnet Konrad.
Er streckt schnell seine Hand aus.
Linders Hand ist trocken wie Pergament. Er lächelt verschmitzt.
«Wenn ich es recht verstehe, stecken
Sie ein wenig in Schwierigkeiten», sagt der Professor.
Linders Stimme ist akademisch und besonnen,
aber zugleich voller Neugier. Konrad schwant, dass er dabei ist, die Hauptrolle
in einem offenbar ziemlich spannenden Rechtsfall zu übernehmen.
«Ja, ich hab vorbeigeschaut, weil ich
... ein Problem habe. Es ist mir etwas unangenehm. Aber es geht um Geld.»
Konrad weiß nicht genau, wie viel er
im Beisein des alten Professors zu sagen bereit ist. Eine vage Irritation, die nicht
so recht Form annehmen will, spukt in seinem Hirn herum. «Konrad Jonsson,
von dem ich gerade erzählt habe.» Haben Rechtsanwälte denn keine Schweigepflicht?
«Professor Linder ist einer der
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