Laennaeus, Olle
Mitglieder sicher sein. Also galt
es, ausdauernd zu sein. Und so klopfte es an einem grauen Herbsttag schließlich
an der Tür des Eternithauses.
Es waren ein Mann und eine Frau, adrett
gekleidet, und weil sie jeder ihre Bibel in der Hand hielten und höflich darum baten,
kurz reinkommen zu dürfen, dauerte es nicht lange, bis sie ihre Mäntel abgelegt
hatten und am Küchentisch saßen.
Nach einer Weile wurde die Tür geschlossen.
Was sich an diesem Nachmittag in Hermans und Signes Küche genau abspielte, ist unbekannt.
Doch das Resultat war ziemlich dramatisch. Denn bereits am Abend desselben Tages
fanden sich die Eheleute Jönsson im Königreichssaal ein, um ihre Bibelstudien einzuleiten,
fest entschlossen, sich sobald wie möglich in dem gekachelten Bassin in dem weißgetünchten
Haus mit Turm untertauchen und zum zweiten Mal in ihrem Leben taufen zu lassen.
Dieses Mal jedoch nicht im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes,
da ihr neuer Heilsbringer die Dreifaltigkeitleugnete. DiesesMal würde die Taufe
im Namen des einzigen Gottes Jehova stattfinden.
Zwei Wochen lang schwebte Signe mit
glückseligem Blick durchs Haus. Konrad war erst zwölf, spürte aber deutlich, dass
etwas geschehen war. Signe summte Psalmen, die er noch nie gehört hatte. Und sie
antwortete kaum, wenn er sie ansprach. Und manchmal, wenn sie mit dem Putzlappen
die Spüle wienerte, kam es vor, dass sie mitten in der Bewegung innehielt und aus
dem Fenster starrte, vorbei am moosbewachsenen Apfelbaum über die Fliederhecke hinweg
in Richtung eines Horizonts, der ziemlich weit entfernt sein musste.
Herman verhielt sich eher wie sonst,
obwohl man ihm anmerkte, dass er zwiegespalten war. Auch er hatte gelobt, die Taufe
zu empfangen, doch er tat es eher, weil Signe es getan hatte. Konrad spürte, dass
ihn eine Unruhe umtrieb, die seiner eigenen ähnlich war.
An einem Sonntag vierzehn Tage nach
ihrer Bekehrung zog gegen Abend eine schwarze Gewitterwolke auf und verdunkelte
den Himmel über dem Eternithaus. Eine knochige Faust schlug gegen die Tür, mächtig
und fördernd. Herman und Signe begriffen sofort, wer da kam. Sie tauschten angsterfüllte
Blicke aus. Signe trocknete sich die Hände an der Schürze ab und hängte sie dann
rasch in den Putzschrank. Herman stand mit beschämter Miene vom braungestreiften
Sofa auf und stellte den Fernseher aus, als fühlte er sich bei etwas Verbotenem
ertappt.
«Guten Abend allerseits!», donnerte
der Pastor los und nickte missmutig.
Ohne ihnen die Hand zu geben oder zu
warten, bis er hereingebeten wurde, marschierte er mit großen Schritten ins Wohnzimmer.
Das rote Plüschsofa in der guten Stube knarrte, als er sich setzte.
Herman und Signe blieben mitten im
Zimmer stehen, wie zwei Eleven, die darauf warteten, Prügel zu beziehen. Er mit
geneigtem Haupt, sodass die spärlichen, mit Wasser gekämmten Haarsträhnen ihm vom
Schädel abstanden, in einer sackartigen Strickjacke und Strümpfen mit einem Loch
am linken großen Zeh. Sie in blaugeblümter Bluse und ausgetretenen Pantoffeln.
Sie kamen nicht einmal auf die Idee, dem Gast Kaffee anzubieten.
Waltersson betrachtete sie unter seinen
buschigen, an Schweineborsten erinnernden Augenbrauen.
«Ich bin hier, um ein ernstes Wort
mit euch zu reden», begann er bedächtig.
Möglicherweise hätte Erik Waltersson
sich nicht getraut, anderen Leuten derart die Leviten zu lesen. Im falschen Haushalt
hätte er zweifelsohne riskiert, rausgeworfen oder zur Hölle geschickt zu werden.
Man befand sich immerhin im zwanzigsten Jahrhundert, und vor ihm auf dem Wohnzimmerteppich
standen zwei erwachsene Menschen. Doch Herman und Signe waren anders als die anderen.
Und der Pastor war ein intelligenter Mann, der die Schäfchen in seiner Herde kannte.
«Wir wissen, worum es geht», murmelte
Herman.
«Verzeihung», flüsterte Signe.
«Es stimmt also, was ich gehört habe,
nämlich dass ihr euch auf die Zeugen Jehovas eingelassen habt?»
Walterssons Stimme war dumpf und drohend.
Herman und Signe nickten und sahen
zu Boden.
«Wisst ihr eigentlich, dass die Zeugen
Jehovas die Gläubigen der Staatskirche als Abtrünnige des Satans betrachten? Sie
scheuen keine Mittel. Aber ich sage euch hier und jetzt, dass sie es sind, die dem
Fürsten der Finsternis dienen!»
Er unterstrich seine Worte mit drohend
erhobenem Zeigefinger.
«Vergesst das nie.»
Konrad saß mucksmäuschenstill auf dem
Fußboden im Obergeschoss, das Gesicht gegen die Sprossen des
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