Laennaeus, Olle
Konrad.
Donald Göransson und Sune Alling sahen
mit Abscheu in sein zugeschwollenes Gesicht.
«Nicht nach den Aussagen, die wir eingeholt
haben», entgegnete Göransson. «Sämtliche Zeugen geben einstimmig an, dass du den
ersten Schlag ausgeteilt hast. Der im Übrigen dazu führte, dass dein Kamerad jetzt
blutet.»
«Dass du letztlich der schlechtere
Kämpfer bist, tut nichts zur Sache», ergänzte Alling.
Konrad spürte, wie ihm die Tränen kamen,
schaffte es aber mit einer Kraftanstrengung, sie zu unterdrücken. Diese Genugtuung
würde er diesen Scheißkerlen zumindest nicht gönnen. Das war sein einziger Triumph.
«Benny nannte mich andauernd ...»
Er verstummte.
«Ja?»
Göransson sah ihn unerbittlich an.
«Ach egal...»
«Es macht die Sache bestimmt nicht
leichter, wenn du im Büro des Rektors Schimpfworte benutzt», sagte Alling säuerlich.
Nach einigen weiteren Minuten Strafpredigt
fällten sie ihr Urteil: eine Woche lang nachsitzen. Außerdem war Konrads Note in
Ordnung und Betragen ernsthaft gefährdet.
Drei Tage später schoss Benny zwei
Kopfballtore im Match gegen Sjöbo, woraufhin ein Foto von ihm am Schwarzen Brett
in der Schulkantine aufgehängt wurde.
Veronica ward in der Schule nicht mehr
gesehen. Nach dem zu urteilen, was aus dem Lehrerzimmer verlautete, hatte sie sich
kurzfristig entschieden, eine Vertretungsstelle in Lund anzunehmen.
Herman und Signe bekamen einen Telefonanruf
von Sune Alling. Als Konrad am nächsten Abend nach Hause kam, standen sie neben
dem gedeckten Küchentisch und sahen ihn mit Hundeblick an.
Im Topf auf dem Herd köchelte es, und
Konrad merkte schon am Geruch, was es zu essen gab. Das graugefleckte Kaninchen,
das Herman am Morgen aus dem Käfig hinterm Haus gezogen und auf den Holzklotz gelegt
hatte.
Konrad hatte keinen Hunger mehr.
«Man muss sich in der Schule anständig
benehmen», seufzte Herman.
«Der Rektor ist sehr ärgerlich», sagte
Signe unglücklich.
«Tut es weh?», fragte Herman und machte
einen Ansatz, seine Wunde zu berühren.
Konrad wich zurück. Er betrachtete
die beiden einen Augenblick lang, unsicher, was er sagen sollte. Dann lief er die
Treppe hoch und schloss die Tür zu seinem Zimmer hinter sich ab.
An diesem Abend ging er angezogen zu
Bett. Das geschwollene Gesicht gegen das Kissen gepresst. Aber er vergoss keine
einzige Träne.
«Die verdammten Schweine werden mich
nicht zum Heulen bringen», dachte er noch, bevor er einschlief.
KAPITEL 12
A m Morgen erledigt
Konrad drei Telefonate. Zuerst ruft er bei der Dresdner Bank in Berlin an und muss
erfahren, dass seine Ersparnisse auf ein klägliches Minimum zusammengeschrumpft
sind.
Dann benachrichtigt er seinen Vermieter
in Malmö, dass er die Wohnung am Möllevängstorg nicht länger mieten will. Seine
wenigen Wertsachen hat er im Auto mitgenommen. Und das, was er zurückgelassen hat,
kann der Hauswirt seinetwegen wegschmeißen oder zum Schleuderpreis verhökern. Die
Miete hat er bereits im Voraus bezahlt. Das dritte Telefonat führt er mit Sonja.
Es ist lange her, seit er mit ihr gesprochen hat, und ihm wird fast ein wenig mulmig,
als sie sich meldet.
Ihre Stimme klingt geschäftsmäßig.
Beinahe so, als habe sie ihn schon fast abgeschrieben.
Deutsch ist doch eine kalte Sprache,
denkt Konrad. Kalt wie eine Scheidung.
Sie fragt, wie es ihm geht. Na ja,
ganz okay. Den Umständen entsprechend. Während sie von einer Ausstellung berichtet,
die viele Besucher angezogen hat, versucht Konrad, sie sich dicht neben sich vorzustellen.
Sie sitzen an einem kleinen runden
Tisch in dem italienischen Restaurant am Rosenthaler Platz. Eine Kerze spiegelt
sich in ihren Augen, aber sie flackert ein wenig in Sonjas nervösem Blick. Die Weinflasche
ist fast leer. Sie redet ununterbrochen und zerknüllt mit der einen Hand eine Serviette.
Dann sieht er sie zu Hause in der Wohnung
in der Zehdenicker Straße im vierten Stock. Sie ist verschwitzt. Das Bett zerwühlt.
An ihrem Hals kleben feuchte Haarsträhnen. Ihre Brüste, die er vor kurzem noch in
seinen Händen gehalten hat, heben und senken sich im Takt ihrer Atmung. Sie schiebt
einige Kissen in ihrem Rücken als Lehne zusammen, überlegt es sich dann anders und
streckt sich nach ihren Zigaretten. Lacht auf, als er mit seiner Zunge an ihrem
Nacken entlangfährt. Ihre Rückenwirbel zeichnen sich deutlich ab. Sie nimmt einen
tiefen Lungenzug, und er sieht, wie ihr Blick durchs Fenster in die Ferne entschwindet.
Wird er
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