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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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erlaubt.
    Erst hier erhält Agnes einen Namen.
    Die Überschrift lautet: Polin hat ihren
Sohn verlassen.
    Als hätte sie eine Wahl gehabt, denkt
Konrad und spürt, wie etwas Heißes in ihm aufsteigt. Aber gegen wen soll er seinen
Zorn richten?
    Schon in der Einleitung wird erkennbar,
dass Nils Söder sich ein klares Bild von Agnes gemacht hat.
    Neun Jahre lang lebte Agnes Stankiewic
in Tomelilla. Ein fremder Vogel in der Idylle von Schonen.
    Angesichts der vor Kitsch triefenden
Fortsetzung, in der Söder über den verlassenen kleinen Jungen berichtet, wird Konrad
übel. Er hat definitiv den Eindruck, dass der Verfasser das meiste erfunden hat.
    Dann geht der Text in eine umständliche
Berichterstattung im Hinblick auf die Überlegungen der Polizei und der Sozialbehörden
über.
    Die interessanten Aspekte kommen erst
am Schluss.
    Die Polizei hat keine Anhaltspunkte
dafür gefunden, dass Agnes Stankiewic einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist, schreibt Söder. Höchstwahrscheinlich hat sie eigenständig beschlossen, den Ort zu verlassen,
um ihr Glück woanders zu suchen. Aus Sicht des Sozialamts hätte man sich bereits
früher um den Jungen kümmern müssen.
    Ein zuständiger Mitarbeiter des Sozialamts
ist nicht genannt. Das abschließende Zitat stammt von Kommissar Kurt Nilsson:
    Wir wissen, dass sie ihren Lebensunterhalt
auf eine Art und Weise verdiente, die nicht gerade als ehrenwert angesehen wird
und die wir in unserer Gemeinde nicht gewöhnt sind. Wir können nichts ausschließen.
Aber wir haben mit mehreren ihrer sogenannten Kunden Kontakt aufgenommen. Sie konnten
allerdings keine bedeutenden Hinweise erbringen.
    Als Konrad den letzten Artikel wieder
zurücklegt, spürt er, dass er friert. Draußen vor dem Fenster brennt die Sonne auf
den Asphalt, aber drinnen in der Redaktion ist es, als zöge ein kalter Luftzug aus
einem dunklen, feuchten Kellergewölbe herauf. Er stellt den Tischventilator aus,
ohne Palander zu fragen. Das Rauschen ebbt ab, und mit einem Mal wird es vollkommen
still im Raum.
    Palander räuspert sich und nimmt einen
seiner schwarzen Zigarillos zur Hand. Betrachtet ihn eine Sekunde lang und steckt
ihn sich dann hinters Ohr.
    «Lebt er noch?», fragt Konrad.
    «Nils Söder? Quatsch! Er ist wenige
Jahre, nachdem er in Ruhestand gegangen ist, in die ewigen Jagdgründe eingezogen.»
    «Und dieser Kommissar?»
    Örjan Palander schüttelt den Kopf.
    «Weiß nicht. Aber es dürfte nicht allzu
schwer sein, das herauszufinden.»
    Konrad steht zögerlich auf, als könne
er sich nicht recht entscheiden, ob er gehen oder noch bleiben soll. In seinem Kopf
beginnt sich alles zu drehen. Niedriger Blutdruck. Er spürt, dass sein rechtes Bein
leicht eingeschlafen ist.
    «Sie sehen blass aus», sagt Palander
freundlich.
    «Das ist echt ein verdammt schreckliches
Gefühl.»
    «Dass Ihre Mutter ...?»
    Konrad schwankt ein wenig. Der Schwindel
lässt nicht nach.
    «Dass sie recht hatten», erwidert er
leise. «Dass es wahr ist, dass ich der Sohn einer Hure bin.»
     
    KAPITEL 16
     
    D ie Zigeuner
kamen immer im Frühjahr, und es dauerte nie lange, bis die Klatschweiber aus der
Fabriksgata sich wieder aufregten und darüber beschwerten, dass die Kinder in die
Büsche schissen.
    Meistens kamen sie in der Nacht. Das
behaupteten die Leute jedenfalls, denn es schien, als hätte keiner jemals ihre Wohnwagen
durch den Ort rollen sehen. Eines Morgens standen sie einfach auf dem kleinen Campingplatz
neben dem Välabad in einem Kreis, als fürchteten sie einen Überfall.
    Woher sie kamen, wusste niemand, auch
nicht, wohin sie fuhren, wenn sie wieder aufbrachen. Woher sollte man es auch wissen?
Einen Grund, mit den Fremden zu sprechen, gab es nicht, und außerdem verstanden
sie wohl kaum Schwedisch. Nicht selten wurde jemand von ihnen von der Polizei abgeholt,
wenn ein Mieter oder Hausbesitzer aus der Nachbarschaft sich beschwert hatte.
    Für alle, die eine weiße Weste besaßen,
war es offensichtlich, dass es das Beste war, sich von den Zigeunern fernzuhalten.
Aber solange sie sich im Ort aufhielten, waren sie Gegenstand des mit Entzücken
und Schrecken verbundenen Grauens aller Einwohner.
    Es wurde über schwarzäugige Männer
mit gefährlichen, samtweichen Blicken getuschelt, die durch den Ort zogen und anboten,
Messer zu schleifen. Über Frauen in goldenen und buntgefärbten Röcken. Über zahnlose
alte Mütterchen, die mit einem Blick in die Karten sowohl Reichtum als auch Unglück
vorhersagten. Und über Kinder, die

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