Laennaeus, Olle
überstieg.
«Zandor war 'n verdammt netter Typ»,
schwadronierte er, während er nach der letzten Stunde mit seinem über die Schulter
geworfenen, nach Schweiß muffelnden Turnbeutel neben Konrad herhumpelte.
Seine Stimme troff nur so vor künstlicher
Nonchalance, und er redete so laut, dass es bestimmt alle hören konnten.
Die Sportstunden bei Sune Alling waren
für Sven eine Qual. Er schwänzte sie, so oft er es nur wagte. Und wenn er mitturnte,
wurde er nach seinen missglückten Versuchen, über den Bock zu springen oder den
Brennball weiter als einen Minifurz weg zu schlagen, nie von Verunglimpfung und
Hohngelächter verschont. Danach war seine Lust auf Revanche immer besonders groß.
Und das war gefährlich.
«Wann, glaubst du, kommt Zandor zurück?»,
plapperte er lauthals weiter, völlig unbeeindruckt von Konrads bösem Blick.
Und als er schließlich die zischende
Mahnung seines Freundes «Halt die Klappe!» hörte, war es bereits zu spät.
«Wer ist denn Zandor?», fragte Lisa
Pälsson, die Streberin der Klasse.
«Ach, keiner», entgegnete Konrad.
«Einer, den wir kennen», sagte Sven,
der immer noch nicht begriff, was los war.
«Komischer Name», meinte Lisa und schien
das Interesse zu verlieren.
Aber Benny, der Fußballstar der Schule,
hatte genügend aufgeschnappt, um sein böswilliges Hirn in Gang zu setzen.
«Ist wahrscheinlich nur 'n Polacke»,
sagte er unschuldig geradewegs in die Luft.
«Nee, er ist Zigeunerhäuptling. Konrad
und ich haben mit seiner Familie zusammen im Lager zu Abend gegessen», erklärte
Sven eifrig.
Die Gruppe blieb unvermittelt stehen.
Theoretisch gesehen gab es jetzt zwei
Alternativen für das, was geschehen könnte. Die Neugierigen, die mehr wissen wollten,
hätten die Oberhand gewinnen können, sie hätten Fragen stellen und Sven und Konrad
von ihren Abenteuern am Lagerfeuer des Zigeunerhäuptlings Zandor erzählen lassen
können. Doch das war nur eine theoretische Möglichkeit. Zum Tragen kam die zweite
Alternative: Benny beendete die Diskussion mit einem vernichtenden gehässigen
Grinsen.
«Zigeuner oder Polacken, ist doch dasselbe,
alle wissen, dass sie wie die Schweine in die Büsche scheißen.»
Am nächsten Morgen hatte jemand eine
Portion Hundekacke auf Konrads Fahrradsattel geschmiert.
KAPITEL 17
S eine letzte
Erinnerung an Sven Myrberg ist voller Scham. Schwere dunkle Herbstwolken haben sich
über die Ebene gesenkt. Über den braunen, frischgepflügten Ackern flattern dicke
Krähen zwischen den Furchen umher, auf der Jagd nach Würmern und kleinem Getier.
Die Landstraße liegt öde da. Die Weidenbäume an der Allee zum Gutshof hinauf ducken
sich in der Erwartung von Regen, und auf den Wiesen kauern sich die Kühe mit ihren
ewig mahlenden Mäulern unter den Haselsträuchern zusammen.
Die Straßen im Ort sind leer und ohne
Leben. Vereinzelte Menschen verschwinden eilig um die Ecke oder in einem Hauseingang.
Ein Moped knattert vorbei, und vor Bertils Würstchenbude parken ein paar Autos.
Im großen Postgebäude brennt Licht, aber die Tür zu Jove Bengtssons Zigarrenladen
ist geschlossen, und im Brunnen auf dem Marktplatz steht lediglich eine Pfütze mit
Regenwasser.
Irgendwo dort, vor Rosengrens Eisenwarenladen
an der Straße, die zum Park hinaufführt, humpelt eine einsame Gestalt den Bürgersteig
entlang, die roten Locken feucht vom Nieselregen. Der Regenmantel ist so lang, dass
er beinahe über den Boden schleift. Der Blick des Mannes ist aufs Pflaster geheftet,
und die schmächtigen Schultern sind bis zum Hals hochgezogen, als wolle er alles
um sich herum ausblenden.
Er hält inne und schaut kurz in ein
Schaufenster, wie um vielleicht doch einen Blick auf seine Umgebung zu erhaschen.
Dann humpelt er weiter, sein steifes Bein mühsam nach sich ziehend.
In Konrads letzter Erinnerung an Sven
kommen ein paar kleine Jungs auf ihren Fahrrädern vorbei. Zwei Rotznasen in Trainingsanzügen
und Stollenschuhen auf dem Weg zum Sportplatz. Als sie den Eigenbrötler erblicken,
hören sie auf zu treten und lassen ihre Räder auf der Straße ausrollen. Sie flüstern
etwas. Geben sich heimlich Zeichen. Und schreien dann mit ihren piepsigen Stimmen,
so laut sie können, über den Marktplatz:
«Da kommt Sven, der schwule Schwanzlutscher!»
Dann lachen sie sich siegesgewiss zu
und treten in die Pedale, was das Zeug hält.
Der einsame Wanderer im Regenmantel
scheint kaum zu reagieren. Bleibt nur kurz stehen und horcht, als hätte er einen
seltenen Vogel
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