Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
Vom Netzwerk:
so schmutzig und verfilzt waren, dass sie aussahen
wie Trolle.
    Abends hörte man Geigen- und Ziehharmonikaspiel
von ihren Lagerfeuern, die unter den Ulmen am Bach loderten. Es wurde im Mondschein
getanzt, berichteten die Leute, deren Balkone in Richtung des Baches wiesen. Bestimmt
grillten sie auch Igel. Hatte nicht der Hausmeister im Schwimmbad selbst gesagt,
dass er merkwürdige Knochenreste in der Asche gefunden hatte, als das Pack im Vorjahr
wieder abgezogen war?
    Wovon die Zigeuner lebten, wusste keiner.
Folglich gingen alle davon aus, dass sie stahlen.
    «Sie haben das Stehlen im Blut», behauptete
Signe, nachdem sie einer Frau, die mit einem kleinen Kind auf dem Arm gekommen
war, um Schnittrosen zu verkaufen, die Tür des Eternithauses vor der Nase zugeschlagen
hatte.
    Signes Blick war düster, als hätten
sie an einem Karfreitag Popmusik im Radio gespielt, als sie die Spitzengardine vor
dem Fenster vorsichtig beiseiteschob und der Zigeunerin nachblickte.
    «Sie tragen den Teufel höchstselbst
um den Hals», murmelte sie.
    «Hat sie was geklaut?», fragte Konrad
erstaunt, der am Küchentisch saß und Monster in sein Ringbuch malte.
    Signe nickte ernst. «Ich hab gesehen,
wie sie sich Hermans rote Mütze von der Hutablage schnappte.»
    «Und warum hast du sie nicht aufgehalten?»,
fragte Konrad verwundert.
    Sie schüttelte den Kopf und sah ihm
mit der Redlichkeit der Überzeugten tief in die Augen.
    «Sie hatte ein Messer unter dem Rock.
Das haben sie immer.»
     
    E s war sicherlich falsch zu behaupten, die Zigeuner wären verhasst.
Dafür waren sie zu bedeutungslos.
    Parasiten, entsetzte sich jemand. Aber
nach einer Woche waren sie jedes Mal wieder fort, und keiner glaubte ernsthaft,
dass sie die bestehende Ordnung und die eingefahrenen Muster der Ortsgemeinschaft
gefährdeten.
    Für die meisten waren die Zigeuner
eher eine exotische Attraktion. Klar, dass sie Menschen einer anderen, niederen
Rasse waren. Launisch wie Kinder, unzuverlässig und, wenn sie in Bedrängnis gerieten,
sicherlich gefährlicher als ein verletzter Wildhund. Selbst wenn wenige der Ortsbewohner
es zugegeben hätten, ging von ihnen auch eine gewisse Verlockung aus, der Reiz an
ihrer stolzen Verachtung, ihrer Freiheit, wann immer es ihnen beliebte, weiterzuziehen
und wie die Kraniche den Küstensaum zu erkunden.
    Für Konrad und Sven stellten die Zigeuner
ein einziges Abenteuer dar.
    So oft sie konnten, schlichen sie in
den Büschen um den Campingplatz herum und phantasierten, was sich wohl innerhalb
der Wagenburg abspielte.
    «Verdammt, wenn sie uns erwischen.
Dann braten sie uns am Spieß über dem Feuer», flüsterte Sven einmal, als sie sich
durch das hohe Gras besonders nahe herangeschlängelt hatten.
    «Wenn sie uns entdecken, springen wir
einfach über den Bach und rennen weg. Sie haben nämlich Angst vor Wasser», flüsterte
Konrad zurück.
    Sven nickte und formte Daumen und Zeigefinger
zu einem Ring. Genialer Plan. Sie blinzelten durch die Dämmerung.
    Krochen noch ein wenig näher. Zwischen
den Wagenrädern sahen sie das Feuer leuchten, rot und verführerisch. Davor bewegten
sich Schatten. Sie hörten Stimmen, jemand lachte, ein anderer schimpfte, und plötzlich
begann ein Hund zu bellen.
    «Mist, er hat Witterung aufgenommen»,
platzte es aus Sven heraus, der vollständig vergaß, seine Stimme zu dämpfen.
    Er stemmte sich auf alle viere hoch,
um zu fliehen, doch bevor Konrad ihm folgen konnte, war der Weg versperrt.
    Eine große, kräftige Gestalt stand
breitbeinig direkt über ihnen. Sie musste sich lautlos herangeschlichen haben. Ein
donnerndes Lachen erhob sich über ihnen, während sie hilflos wie zwei in die Falle
geratene Kaninchen im Gras lagen.
    «Was haben wir denn hier? Spione!»
    Konrads Herz hämmerte wie eine keuchende
Dampfmaschine in seiner Brust, während er in Svens Augen Tränen des Schreckens
erblickte. Aber um den riesenhaften Zigeuner nicht noch mehr zu reizen, verhielten
sie sich beide still.
    Zwei mächtige Fäuste legten sich um
ihre Nacken und zogen sie auf die Füße hoch.
    «Jetzt wollen wir mal sehen, was wir
da für unseren Eintopf gefangen haben», murmelte der Mann und schob sie ohne Umschweife
in Richtung des Lagerfeuers.
    Innerhalb des Wagenkreises wurden ihnen
hungrige Blicke zugeworfen, lechzend nach weißem Menschenfleisch. Der Eisentopf,
der über dem Feuer hing, sah genauso aus, wie Konrad befürchtet hatte, nämlich groß
genug für zwei Jungenleiber. Männer mit mörderischem Blick und

Weitere Kostenlose Bücher