Laennaeus, Olle
in der Luft gehört oder einen Freund, der ihm etwas zuruft, um letztlich
festzustellen, dass er sich getäuscht hat.
Und Konrad, er macht kehrt und überquert
mit schnellen Schritten die Eisenbahnschienen in Richtung Bahnhof.
S ven wusste
viel über das Leben, zumindest theoretisch. Bereits in jungen Jahren lieh er sich
enorme Mengen an Büchern in der Stadtbibliothek aus und überredete die Bibliothekarin,
die pensionierte Grundschullehrerin Svea Andersson, diverse wissenschaftliche Bände
für ihn zu bestellen, von denen in Tomelilla keiner je gehört hatte.
Lange Zeit jedoch war der Hobbex-Katalog
seine Bibel. Sobald eine neue Ausgabe in den Briefkasten plumpste, stürzte er sich
darauf und sog die neuesten technischen Erkennmisse in sich auf.
Sven und Konrad sammelten leere Flaschen,
pflückten Erdbeeren und klauten im schlimmsten Fall Geld aus der Keksdose im Küchenschrank,
wo Signe ihre Haushaltskasse aufbewahrte, um die «phantastischen Konstruktionen»,
die als kleine Zeichnungen im Katalog abgebildet waren, bestellen zu können.
Eine Woche später holten sie dann braune
Pakete bei der Post ab und rissen sie erwartungsvoll auf. Und obwohl die Ware selten
ihren Erwartungen entsprach, gaben sie nicht auf.
«Binoskop, das Wunderding, das Ihren
Schwarz-Weiß-Fernseher zu einem Farbfernseher macht», bestand aus rotgrünen wabbeligen
Kunststoffscheiben, die den körnigen Bildschirm des alten Myrberg'schen Apparats
aussehen ließen wie ein psychedelisches Kunstwerk.
Von der «X-Ray Röntgenbrille» erhofften
sich Sven und Konrad besonders viel. Das Bild im Hobbex-Katalog war vielversprechend.
Ein Junge mit dicken, schwarzeingefassten Brillengläsern auf der Nase und einem
glückseligen Lächeln auf den Lippen starrte auf zwei süße Mädels in Sommerkleidern.
Den gestrichelten Konturen der nackten Körper der Mädchen zufolge erkannte man,
dass der Junge dank X-Ray geradewegs durch ihre Kleider hindurchsehen konnte.
Bewaffnet mit diesem phantastischen
Instrument, radelten Sven und Konrad hinunter zum Välabad. Sie machten es sich
auf der grüngestrichenen Holztribüne neben dem Bassin bequem, wo die Damenmannschaft
des Schwimmklubs auf den ersten beiden Bahnen Starts übte, während der Rest des
Bades für die Allgemeinheit freigegeben war. Konrad setzte die Brille zuerst auf.
«Und, siehst du was?», fragte Sven
aufgeregt.
«Es ist etwas verschwommen ...»
«Lass mich mal.»
Doch weiter kamen sie nicht. Denn plötzlich
stand der Bademeister vor ihnen, ein stoppelhaariger Muskelprotz mit Namen Jan-Erik,
der während des Winterhalbjahres Türsteher in Ystad war.
«Was macht ihr denn da?», brummte er.
«Ach, nichts», murmelte Sven.
Doch neben ihm auf der Tribüne lagen
sowohl der Hobbex-Katalog als auch die beiliegende Gebrauchsanweisung für «X-Ray».
Blitzschnell riss Jan-Erik Konrad die Brille von der Nase und begann, in der Anweisung
zu lesen.
«Verdammte Lustmolche», knurrte er
und warf ihnen einen verächtlichen Blick zu.
Dann setzte er sich die Röntgenbrille
selber auf und richtete den Blick auf eine der Schwimmerinnen, die auf dem Startblock
stand und sich warmmachte.
«Das ist ja der helle Wahnsinn!»
Eine Weile stand er völlig still da
und leckte sich die Lippen. Schließlich nahm er die Brille wieder ab.
«Die muss ich leider beschlagnahmen.
Sie ist konfisziert. Und euch will ich hier mindestens eine Woche lang nicht mehr
sehen. Ihr könnt froh sein, dass ihr nicht für den Rest der Saison Hausverbot habt.
Verschwindet jetzt!»
Wie zwei begossene Pudel trotteten
Konrad und Sven von dannen.
«So 'ne Scheiße aber auch. Zwölf Kröten
für 'n Arsch», maulte Sven und kickte einen Stein weg, sodass er quer über die Straße
sprang und gegen den Kühlergrill eines parkenden Volkswagens knallte.
«Du», meinte Konrad. «Ich glaub, sie
hat tatsächlich funktioniert.»
«Im Ernst?»
«Als er da stand und rummeckerte, also
bevor er mir die Brille geklaut hat, hab ich, glaub ich, verdammt nochmal, sein
Skelett gesehen.»
Sven sah ihn ungläubig an.
«Sicher?»
Konrad nickte.
«Er wird sie bestimmt selbst behalten.»
«Mm ...»
«Verdammter Glückspilz.»
I n gewisser
Weise war es wohl vorherbestimmt, dass Sven Myrberg zum Außenseiter werden würde.
Das lag natürlich an seinem unglückseligen Humpeln. Doch der jüngste Sohn der Myrbergs
fiel auch in anderer Hinsicht auf. Einige seiner älteren Geschwister verteidigten
ihn, solange sie noch zu Hause wohnten, doch
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