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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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begnügte sich jedoch damit, sich für die zweijährige
praktisch ausgerichtete Oberstufe zu bewerben.
    Der Ferienjob im Silo war perfekt.
Der Stundenlohn war in Ordnung und der Arbeitseinsatz fast immer überschaubar.
Wenn die Bauern auf ihren Traktoren mit vollbeladenen Anhängern mit Raps und Ölrübsen
und später mit Gerste und Weizen angefahren kamen, mussten Konrad und Sven lediglich
darauf achten, dass das Getreide auf das richtige Transportband und weiter in die
richtige Lagerhalle geleitet wurde. Wenn alles funktionierte, ging das meiste wie
von alleine. Ging es schief, konnte es vorkommen, dass sie bis zum Bauchnabel und
hustend im schwarzen staubenden Raps standen. Dann blieb ihnen nichts anderes übrig,
als wie der Blitz zur Schaufel zu greifen, bevor Ratten-Kuno auftauchte.
    Der Vorarbeiter im Silo hatte seinen
Spitznamen wegen seiner Leidenschaft für Ratten verpasst bekommen. Von ihnen gab
es unzählige im Getreidesilo. Kuno hegte große Bewunderung für sie. Oder eher eine
Art Respekt, wie ihn Krieger vor besonders furchtlosen Feinden haben.
    «Findet ihr nicht, Jungs, dass es phantastische
Tiere sind?», grinste er, während er mit Daumen und Zeigefinger den Schwanz eines
besonders prachtvollen Exemplars ergriff, das sich in einer seiner Fallen das Genick
gebrochen hatte.
    Konrad und Sven starrten mit Abscheu
auf die verfilzte Ratte, die vor ihren Gesichtern baumelte.
    «Pfui Teufel», fluchte Sven.
    «Sie sind teuflisch gut im Kampf ums
Überleben», behauptete Kuno, obwohl der Kadaver in seiner Hand in gewisser Weise
wohl eher das Gegenteil bewies. «Fressen, was immer sie kriegen können. Sind heller
in der Birne als Menschen.»
    Als gewisse Menschen jedenfalls, dachte
Konrad.
    Aber er schwieg, denn er hatte gerüchteweise
bereits gehört, was Kuno mit Aushilfskräften machte, die ihm zu aufmüpfig wurden.
Und das Letzte, was Konrad wollte, war, ihn zu reizen.
    Kuno war trotz seines kleinen Wuchses
ein furchteinflößender Mann. Kaum älter als dreißig, aber schon sehnig wie eine
Ziege. Er trug immer riesige Gummistiefel und einen grünen, mit Ol befleckten Overall.
Seine Nase war spitz, die Haut vernarbt von alten Pickeln, und möglicherweise waren
es seine gelben Zähne, die ihn selbst ein wenig wie ein Nagetier aussehen ließen.
Das einzig Versöhnliche an Kuno waren seine langen strähnigen Haare, die ihm im
Hardrock-Stil bis über die Schultern fielen, wie auch die Tatsache, dass er in jeder
Pause eine Deep-Purple-Kassette in seinen verdreckten Kassettenrecorder steckte
und die Lautstärke voll aufdrehte, während er seine Wurstbrote verdrückte.
    «Einer, der hier gearbeitet hat, steckte
mal bis zum Hals in Ölrübsen», erzählte Kuno, als sie in seinem kleinen Büro saßen
und ihre mitgebrachten Brote aßen. «Der Blödmann konnte sich nicht vom Fleck rühren.
Steckte total fest. Schrie wie der Teufel, aber keiner hörte ihn. Dann kamen die
Ratten und fraßen ihm die gesamte Visage weg.»
    «Ist er gestorben?», fragte Sven mit
weit aufgerissenen Augen.
    Kuno schüttelte den Kopf, sodass seine
strähnigen Haare wie Rattenschwänze auf seinem Rücken hin- und herwedelten.
    «Nee, aber er landete in der Klapse.
Sankt Lars in Lund, glaub ich.»
    Trotz seiner Faszination für Ratten
wusste Kuno genau, dass es seine Aufgabe war, sie zu bekämpfen. Was er auch mit
großer Lust tat.
    Wenn er Zeit hatte, zimmerte er selbstgebaute
Fallen, die den Ratten nicht zwangsläufig das Genick brachen, sondern sie in Stacheldrahtfallen
erdrosselten oder ihnen einen Nagel durch den Schädel rammten.
    Ziemlich oft erledigte er sie auch
im Nahkampf. Bewaffnet mit einer Schaufel und einem Blecheimer, betrat er die Lagerhalle
und verübte die reinsten Massaker. Von draußen hörte man dumpfe, abscheuliche Geräusche:
schrille Rattenschreie, dumpfes Poltern und schließlich Kunos Fluchen. Dann kam
er wieder heraus, völlig verschwitzt und verdreckt und den Eimer bis zum Rand mit
Rattenleichen gefüllt.
    Einmal konnte Konrad seinen Ekel nicht
unterdrücken.
    «Du bist ja, verdammt nochmal, total
krank! Verfluchter Tierquäler!»
    Das war zweifellos ein Fehler.
    Kunos Miene verdüsterte sich. Er fletschte
die Zähne, sodass er das Zahnfleisch über seinem gelblichen Gebiss entblößte,
und zischte irgendetwas Unverständliches. Wenn ihn jemand zur Raserei brachte, dann
Gören wie diese, die sich ihre zarten Finger nicht schmutzig machen wollten und
ihn verhöhnten, nur weil er seinen Job erledigte.
    «Aha, so

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