Laennaeus, Olle
Konrad, und er hört selbst, dass es etwas spöttisch klingt, auch wenn er es nicht
so gemeint hat.
Gertrud lacht auf, während Sven ihm
einen zweideutigen Blick zuwirft.
«Kommt rein und sagt hallo. Örjan sitzt
bereits oben auf der Veranda mit einem Longdrink in der Hand», fordert er sie auf.
In dem Moment lugt ein Kopf aus der
Küche.
«Glaub dem Angeber kein Wort!», sagt
die Frau und lächelt fröhlich. «Ihr hättet diese Bruchbude sehen sollen, als ich
eingezogen bin. Ich hab nur 'n bisschen Farbe reingebracht.»
Sie verschwindet für einen kurzen Augenblick
wieder in der Küche, und man hört, wie sie die Hände unter dem Wasserhahn abspült.
Dann ist sie wieder da und sieht aus wie ein Graffiti-Kunstwerk, das mit einer Spraydose
an die U-Bahn gesprüht wurde: stark geschminkte Augen mit einem Kajalstrich, der
fast bis an die Schläfen reicht. Kirschrote Lippen. Drei Ringe im linken Ohr und
einen in der Unterlippe. Und über ihrem blassen Gesicht flammt ein leuchtend roter
Haarschopf auf, der zwischen lila und violett changiert.
«Hej, ich bin Lena», sagt sie und streckt
die Hand aus. Sie ist kalt und feucht.
«Und du musst Konrad sein. Ich hab
schon viel von dir gehört.»
«Schön, dich kennenzulernen», sagt
Konrad und versucht so zu klingen, als hätte er die Situation unter Kontrolle. Es
wird still im Flur.
«Ist bestimmt hundert Jahre her», sagt
Konrad schließlich und sieht Sven an. «Tausend, mindestens.»
«Du siehst ziemlich ... fit aus.»
«Danke ... du aber auch. Hast dich
kein bisschen verändert.»
Sven lächelt und fingert an dem Etikett
der Schnapsflasche herum. Konrad hüstelt trocken. Gertrud öffnet den Mund, um etwas
zu sagen, doch Lena kommt ihr zuvor:
«Ja, Sven, geh du doch schon mal mit
den Gästen nach oben, dann komme ich gleich mit den Kartoffeln nach. Der Rest ist
schon aufgedeckt.»
«Ja, natürlich ...»
Als Sven sich zur Treppe umdreht, sieht
Konrad, dass er immer noch humpelt. Als würde sein Hinken einfach verschwinden
können. Es hatte immer etwas Rührseliges. So ist es jetzt auch wieder. Sven sieht
durchtrainiert aus, wirkt muskulöser als damals, als er jung war. Aber seine Art
zu gehen, dieser ruckartige Gang, bewirkt, dass er ihm plötzlich völlig vertraut
erscheint. Als hätten sie sich erst gestern zuletzt gesehen.
Auf dem Treppenabsatz dreht Sven sich
plötzlich um und legt Konrad vertraulich die Hand auf den Arm.
«Am besten, wir schaffen es gleich
aus der Welt.»
«Was denn?»
«Du denkst doch bestimmt noch daran,
oder? War er nicht schwul? Das denkst du doch.»
«Nein, nein, überhaupt nicht...»
Konrad kommt sich plötzlich lächerlich
vor. Ertappt. Er zuckt entschuldigend mit den Schultern. «Oder doch, vielleicht...»
«Die Typen, die mich verspottet haben,
hatten übrigens recht in dem Punkt», erklärt Sven und blickt sowohl stolz als auch
zufrieden drein. «Ich bin schwul. Oder bisexuell. Ich gehöre eben dem Regenbogenvolk
an, so würde ich es formulieren. Es hat einige Jahre gedauert, bis ich darauf gekommen
bin. Aber jetzt bin ich auf jeden Fall bis über beide Ohren in dieses wunderbare
Wesen da unten in der Küche verliebt. Lena ist übrigens auch homo.»
Als er Konrads verwirrten Blick sieht,
fügt er hinzu: «Na ja, bi.»
«Es war nicht ...», beginnt Konrad.
«Ich hab nie angenommen ...»
«Du brauchst gar nichts dazu zu sagen.
Später vielleicht, wenn du willst. Ich hab nur gedacht, dass es vielleicht gut wäre,
die Sache klarzustellen. Hab nämlich gelernt, dass es oft leichter ist, die Dinge
direkt anzusprechen.»
Er lächelt Konrad aufmunternd zu und
nimmt die letzten Stufen nach oben.
Die Veranda balanciert oben auf dem
Dachfirst, genau wie früher. Die Glastür klemmt immer noch. Doch die Abendsonne
scheint jetzt auf einen frischgeölten Dielenboden, und am Geländer hängen Töpfe
mit Geranien.
«Meine Kommandobrücke!», sagt Sven
mit einer einladenden Geste.
«Du meinst wohl Abschussrampe.»
Sie müssen beide lachen, dann erfasst
sie ein Anflug von Sentimentalität, und ihre Blicke werden in Richtung des Sees
und der kleinen Insel gezogen, die sie «den Mond» genannt haben.
«Ja verdammt, was für ein Abenteuer»,
seufzt Sven.
«Du warst mein Held, damals ...», entgegnet
Konrad.
Eine ganze Weile bleiben sie in Erinnerungen
versunken so stehen, bis sie von einer tiefen Stimme in die Gegenwart zurückgeholt
werden, die rezitiert: «Die Erinnerung an Vergnügen ist kein Vergnügen mehr, die
Erinnerung an
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