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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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Schmerz ist immer noch Schmerz.»
    Orjan Palander sitzt gemütlich zurückgelehnt
auf der Bank an der Wand.
    «Ja, ich hab gehört, dass ihr auf Svens
schrecklichen Flug anspielt. Er hat mir davon erzählt», gluckst er.
    «War das nicht Lord Byron, der das
geschrieben hat?», fragt Gertrud.
    Palander blickt verdutzt drein.
    «Stimmt. Nicht schlecht, meine Liebe.»
    Auf dem Tisch vor ihm ist ein weißes
Tischtuch ausgebreitet, auf dem, wie es sich für ein zünftiges Mittsommeressen
gehört, mehrere Schalen mit Matjesheringen stehen. Eine Flasche Jubiläumsaquavit
thront neben der blau-gelben Tischflagge.
    «Was möchtet ihr trinken, Freunde?»,
fragt Palander, der sich schnell wieder gefangen und offensichtlich für den heutigen
Abend zum Barkeeper ernannt hat. Er hält einen Gin Tonic in der Hand und trägt zur
Feier des Tages einen roten Schlips, den er am Hals bereits gelockert hat.
    «Darf ich einen Sommerklassiker vorschlagen:
Gin Tonic. Bei der heutigen Jugend nicht besonders beliebt, wie ich mitgekriegt
habe. Aber die Briten hatten Verstand genug, ihn in Indien zu trinken. Gut gegen
Malaria, behaupteten sie. Keine Ahnung, ob das stimmt. Wie auch immer, es ist ein
phantastischer Drink, der nach einem heißen Tag wunderbar erfrischt. Meine Prognose
lautet, dass der Konsum von Gin Tonics dramatisch zunehmen wird, proportional zum
Treibhauseffekt, der uns zunehmend heißere Sommer beschert.»
    Ohne eine Antwort oder Reaktionen auf
seinen kleinen Vortrag abzuwarten, schenkt er zwei Gin Tonics ein und garniert sie
mit Zitronenscheiben. Konrad und Gertrud müssen lachen. Dann erscheint Lena mit
einem Topf voller dampfender Frühkartoffeln auf der Veranda.
    «Mein Gott, setzt euch doch», sagt
sie auffordernd wie eine Hausfrau, die zum Sonntagsessen eingeladen hat.
    Doch Palander erhebt sich stattdessen
von seinem Platz und richtet sich zu seiner vollen stattlichen Größe auf.
    «Jetzt, wo die ganze Gesellschaft versammelt
ist, schlage ich vor, wir stoßen an», verkündet er.
    Er macht eine Kunstpause und blickt
ziemlich feierlich drein.
    «Ein Prosit auf... die Gerechtigkeit!»
    Erstaunte Blicke richten sich auf ihn,
aber niemand fragt, was er eigentlich damit meint. Sie trinken schweigend.
    «Ahhh!», prustet er und lässt sich
mit einem Krachen zurück auf die Bank fallen. Sein Bart ist feucht vom Drink. Die
Abendsonne lässt seinen kahlen Schädel glänzen.
    «Gerechtigkeit ...?», fragt Gertrud
schließlich verwundert.
    «Findest du nicht, dass es angebracht
ist? Im Ort sind vier Menschen umgebracht worden. Da ist es wohl an der Zeit, dass
Gerechtigkeit waltet.»
     
    D er Matjeshering
ist gerade richtig gesalzen, die Kartoffeln sind leuchtend gelb und schmecken nach
Mandeln. Das Bier erfrischt, und der erste Schnaps sorgt dafür, dass sich eine behagliche
Wärme im Körper ausbreitet. Der Abend ist weich wie Samt. Auf dem Abhang unterhalb
der Veranda leuchten die Birkenstämme weiß, und weiter unten liegt der Myrsjö blank
und schwarz da. Konrad meint, einen Frosch quaken zu hören.
    Sie unterhalten sich über Themen, die
man aufgreift, wenn man sich lange nicht gesehen hat. Das Essen auf dem Tisch. Das
Haus. Oberflächliche Aussprüche, die keiner weiter ernst nimmt: «Du siehst wirklich
noch genauso aus wie früher!»
    Und sie reden natürlich über die Hitze.
«Kann man die warmen Abende denn überhaupt genießen, wenn man weiß, dass der Globus
kurz davor ist, einen Hitzschlag zu erleiden?» Sie tasten sich voran und horchen
nach, darauf bedacht, sich nicht zu vertraulich zu geben.
    Sven, der galante Gastgeber. Gertrud
mit einem Blumenkranz im Haar. Palander mit seinem Großhändlerschnauzbart. Und
Lena, eine Punkversion von Elsa Beskows Tante Lila.
    Konrad betrachtet sie, während ihn
ein Gefühl von Unwirklichkeit beschleicht. Bin ich hier in einen Werbefilm geraten?
    In dem Fall ein ziemlich angenehmer
Film.
    Auf Palanders Weisung hin singen sie
sogar ein kleines Trinklied. «Wenn man doch nur ein kleines Schnapsglas um den Hals
hängen hätt' ...»
    «Und skäääl!»
    «Und fröhlichen Mittsommer!»
    Sie lachen und reden über alles Mögliche.
Plötzlich ruft Lena mit dem lilafarbenen Haar völlig aus dem Zusammenhang gerissen
aus: «Ja, pfui Teufel, wie schrecklich, diese ganzen Morde in der letzten Zeit!
Das ist ja wie im Schlachthaus. Unsereins zieht aufs Land, um seine Ruhe zu haben,
und dann landet man im Wilden Westen.»
    Alle verstummen. Aber alle waren sich
bewusst, dass irgendwer früher

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