Laennaeus, Olle
sich
immer noch in hellen Grautönen ab.
Was für ein Gefühl ist es? Erstaunlicherweise
ein ziemlich ... gutes, denkt Konrad.
Als das Handy in seiner Hosentasche
zu vibrieren beginnt, zuckt er zusammen, als hätte ihn eine Wespe gestochen. Die
Blicke der anderen folgen den seinen.
Es ist eine SMS von Maria.
Fröhlichen Mittsommer, Papa! Sitze
mit Freunden auf einer kleinen Felseninsel, deren Namen ich nicht weiß, und fühl
mich wie in der Pripps-Blä-Werbung. Das Meer ist schöner als im Traum.
Du musst kommen und mich besuchen,
wie du es versprochen hast. Fühl dich umarmt, Maria.
Wie in einem Werbefilm. Konrad muss
lachen, und als er aufblickt, stellt er fest, dass er sich erklären muss.
«Von Maria, meiner Tochter. Sie ...
wir hatten denselben Gedanken.»
«Passiert das öfter?»
Gertruds Blick ist ernst geworden.
«Ich glaube schon. Wir haben nicht
immer so engen Kontakt gehabt. Aber doch, ich hoffe, dass es so ist.»
«Telepathie ...», sagt Lena, deren
Blick etwas Verträumtes annimmt. «So ist es mit Sven und mir auch. Mit meiner letzten
Freundin, also, Partnerin, ging es immer nur um Sex, Sex und Sex.»
Sie blickt Sven schuldbewusst an, der
sich jedoch nichts anmerken lässt.
«Aber mit Sven ist es die reinste Magie.
Keiner von uns braucht je etwas laut zu sagen. Es ist, als wären unsere Gehirne
miteinander verbunden.»
«Hm ...», meint Palander.
Konrad unterdrückt einen sarkastischen
Impuls, sie Primzahlen addieren zu lassen, und ist Sekunden später erleichtert
darüber, es nicht laut gesagt zu haben. Man kann Lena einfach nicht böse sein.
«Und wie alt ist sie?», fragt Sven.
«Maria? Sie ist im Frühjahr zwanzig
geworden.»
«Jetzt ist es aber Zeit für Kaffee!»,
ruft Palander aus und stößt beim Aufstehen mit den Knien an den Tisch, sodass das
Geschirr klirrt. «Bleibt bitte sitzen, ich erledige das.»
Schnell hat er ein paar Teller zusammengeräumt
und ist mit Lena im Schlepptau verschwunden. Gertrud steht langsam auf.
«Ich geh mit runter und helfe ein bisschen»,
sagt sie und folgt den anderen.
Konrad und Sven bleiben sitzen, allein.
Schweigend.
«Deine Tochter ...», beginnt Sven.
«Maria?»
«Wie ...?»
«Ihre Mutter und ich sind seit langem
geschieden. Absolut kein Kontakt. Aber ich treffe mich mit Maria, sooft ich kann.»
«Gut.»
Sven nickt nachdenklich, als hätte
er gerade eine angenehme Neuigkeit gehört, und gießt sich noch ein wenig Schnaps
ins Glas.
«Und du selber», fragt Konrad. «Du
arbeitest noch in der Molkerei?»
«Yes! Es sind inzwischen bald dreißig
Jahre», sagt Sven und sieht plötzlich etwas trotzig aus, als hätte man ihm einen
Vorwurf gemacht.
«Ist es ... gefällt es dir?»
«Ich weiß genau, was du denkst.»
«Tust du das?»
«Du denkst: Dieser smarte Teufel, wie
kann er nur so dumm sein und immer noch mit der Milch herumplanschen? Wie kann er,
das Mathegenie, sich jahrein, jahraus nur so erniedrigen lassen? Ist es nicht das,
was du denkst?»
Seine Stimme klingt mit einem Mal aggressiv
und herausfordernd. Der Blick hinter den Brillengläsern saugt sich sozusagen fest,
bohrt nach.
«Ich weiß, dass ich etwas hätte sagen
sollen ...»
Sven stürzt hastig seinen Schnaps herunter.
«Du hättest etwas sagen sollen. Ich
hätte etwas tun sollen. Es gibt so viel, was man im Leben bereuen kann. Aber es
ist müßig, sich darüber Gedanken zu machen, oder?»
Der Ausdruck in seinen weitgeöffneten
Augen ist derart intensiv, dass Konrad seinem Beispiel folgen muss. Er leert seinen
vierten Schnaps.
«Ich sag dir eins», beginnt Sven, «wenn
hier jemand etwas zu bereuen hat, dann bin ich es. Jahrelang bin ich herumgeschlichen
und hab den Schwanz eingezogen, beim Job und hier in der Stadt. Ich hab gehört,
wie sie tuschelten. Und am Anfang, musst du wissen, hat es verdammt wehgetan, dass
du nie zu mir gestanden hast.»
Was soll man dazu sagen? Konrad beginnt
den Schnaps im Kopf zu spüren, und er merkt, wie sich Schuldgefühle mit der verwirrten
Suche nach einer Entschuldigung vermischen. Was sagt man, wenn man erfährt, dass
ein Treuebruch, den man dreißig Jahre lang verdrängt hat, einen Menschen so lange
gequält hat?
«Ich weiß nicht, was ich sagen soll,
Sven.»
«Ist doch scheißegal, ich will es ja
nur erklären.»
«Warum bist du eigentlich nicht abgehauen?
Warum hast du dieses Kaff nie verlassen? Mein Gott, du hättest doch Professor für
alles Mögliche werden können.»
Sven schnaubt irritiert. Zuckt dann
mit den Schultern,
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