Laennaeus, Olle
absolut.»
In der Leitung wird es still.
«Da ist noch etwas anderes», sagt Palander
in unergründlichem Tonfall.
«Zeit für die schlechte Nachricht?»
«Am Telefon ist es etwas schwierig
... Wo sind Sie?»
Konrad sieht sich erneut in der Wohnung
um, als müsse er sich erst selbst überzeugen, bevor er antwortet. An einer der weißgestrichenen
Schlafzimmerwände hängt ein gerahmtes Poster. Sonnenblumen von van Gogh. Über einen
alten Korbstuhl sind ein paar Hosen geworfen. Neben dem Bett steht ein kleiner Tisch
aus Kiefernholz mit ein paar Tuben und Döschen und Taschenbüchern drauf. Eine Packung
Iberogast; hat sie Probleme mit dem Magen? Am Spiegel ist ein Strauß getrockneter
Blumen mit einer Schnur befestigt. Alles wirkt etwas flüchtig. Ein Zimmer, das von
jemandem bewohnt wird, der nicht vorhat, lange zu bleiben. Durch die halb geöffnete
Schlafzimmertür erkennt er ein Bücherregal, das, außer einem Regalbord, auf dem
zwei Fotografien stehen, mit Büchern gefüllt ist. Die Fotos sind zu weit entfernt,
als dass er sehen könnte, was sie darstellen. Ein dunkelblaues Rollo ist nur bis
zur Hälfte heruntergezogen.
«Zu Hause ...», sagt er unsicher.
«Können Sie in die Redaktion kommen?»
«Sind Sie dort?»
«Nein, ich möchte, dass Sie lediglich
die Putzfrau antreffen ... Klar bin ich hier, Sie Witzbold. Also kommen Sie?»
«Ja, natürlich.»
«Gut», antwortet Palander und wirft
den Hörer auf die Gabel.
Einen kurzen Augenblick sitzt Konrad
mit dem Handy in der Hand da und hat das Gefühl, mitten in einem Gedanken unterbrochen
worden zu sein. Ein Gedanke, der dabei war, Form anzunehmen. Er schüttelt irritiert
den Kopf.
Seine volle Blase macht sich bemerkbar.
Er steht auf, um die Toilette aufzusuchen. Unterwegs fällt sein Blick erneut auf
die Fotos. Es sind zwei Bilder in den gleichen einfachen Holzrahmen.
Konrad nimmt das eine zur Hand. Es
ist ziemlich neu, vielleicht vom vergangenen Sommer. Gertrud und Sven vor dem großen
Haus am Myrsjö. Sie sind sommerlich gekleidet und lachen den Fotografen an. Sven
hat beschützend den Arm um Gertrud gelegt. Die Schatten sind lang und reichen fast
bis zum Haus. Es muss Abend gewesen sein, als das Foto gemacht wurde.
Er stellt es zurück ins Regal.
Das andere Bild ist älter. Man kann
nicht erkennen, wann es aufgenommen wurde. Gertrud sieht jünger aus, vielleicht
um die dreißig. Sie befindet sich auf einer Straße, aber die Häuser sind anonym
und die Gesichter der Menschen im Hintergrund nicht zu erkennen. Vor ihr steht ein
Mädchen, das scheu in die Kamera blickt. Die Kleine hat rote Locken und trägt einen
hellblauen Pulli mit einer Micky Maus darauf. Gertrud hat sich hinuntergebeugt
und die Arme liebevoll um sie geschlungen.
Sie sehen sich ziemlich ähnlich, denkt
Konrad.
Aber Gertrud hat doch gesagt, dass
sie keine Kinder hat, oder?
Er betrachtet das Bild erneut. Das
Mädchen scheint zu schmollen. Er bekommt den Eindruck, dass sie sich gerade gestritten
haben, und Gertrud versucht, es vor dem Fotografen zu überspielen. Ihr Lächeln
wirkt angestrengt.
Unschlüssig geht er in die Küche.
Dort kann er nicht erkennen, dass jemand
gefrühstückt hätte. Auf der Spüle, direkt neben der Kaffeemaschine, liegt ein Zettel.
Er leuchtet ihn weiß und höhnisch an.
Ihre Handschrift ist schludrig, und
man sieht, dass sie es eilig hatte, als sie die Nachricht geschrieben hat:
Muss los. Zieh die Tür einfach hinter
dir zu.
Bis bald!
Gertrud
Konrad schaut mit leerem Blick auf
die nichtssagenden Worte. Ein ziehendes Unbehagen breitet sich in seinem Magen aus.
Die Einsamkeit, an die er sich zwangsläufig
gewöhnen musste. Jetzt macht sie ihm Angst. Gertrud kann doch nicht einfach verschwinden.
Das muss sie doch verstehen. Sie kann ihn nicht auf diese Weise verlassen.
Wovor habe ich eigentlich Angst?, denkt
er in einem Versuch, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen.
Die Worte, sie sind so nüchtern.
Für eine Sekunde sieht er sie wieder
vor sich: die Hitze, die unerwartete Wildheit in ihrem Blick. Verschwitzte feuchte
Locken an ihrem Hals. Ihr Körper, weiß und gespannt wie ein Bogen. Die Erschöpfung
danach. Die grünen Augen, die ihm so nahe sind, und ihre weichen Fingerspitzen an
seinem Rückgrat, kurz bevor er einschläft.
Warum, zum Teufel, konnte sie es ihm
nicht einfach sagen?
Ihm kommt die Idee, sie anzurufen,
aber er stellt fest, dass er nicht einmal ihre Handynummer besitzt.
Das hat nichts zu bedeuten, redet er
sich ein. Verdammt,
Weitere Kostenlose Bücher