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Laennaeus, Olle

Laennaeus, Olle

Titel: Laennaeus, Olle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das fremde Kind
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während sein Blick irgendwie ausweicht.
    «Ich bin ab und an nach Malmö gefahren.
Hab 'nen Typen aufgerissen. Manchmal musste ich ihn bezahlen. Aber jedes Mal bin
ich wieder hierher zurückgefahren. Ich weiß nicht, vielleicht, weil ich nicht wusste,
wo ich sonst hinsollte. Vielleicht wollte ich diesen verdammten Idioten aber auch
nicht die Genugtuung geben, mich vertrieben zu haben.»
    Sein Gesicht nimmt einen milderen Ausdruck
an.
    «Eines Tages», sagt er langsam, «hab
ich mich schließlich entschieden. Ich weiß nicht, was der Auslöser war. Ein Blick.
Jemand, der tuschelte oder auf mich zeigte. Wie auch immer, jedenfalls hab ich ihn
einmal hergeschleppt, meinen damaligen Freund ...»
    Er deutet mit seinen Fingern rasch
Anführungszeichen in der Luft an.
    «Ich bin mit ihm vom Bahnhof bis zum
Marktplatz Hand in Hand gegangen und hab ihm direkt vor der Milles-Statue den heißesten
Zungenkuss gegeben, den dieses Kaff je gesehen hat. Du kannst dir ja vorstellen,
wie die Leute geguckt haben. Das Erstaunliche war, dass mich danach kaum jemand
mehr verspottet hat.»
    Er grinst ohne jede Bitterkeit.
    «Das Ironische ist, dass es danach
nicht lange gedauert hat, bis ich Lena getroffen und mich Hals über Kopf in sie
verliebt habe.»
    «Ich freu mich wirklich für dich.»
    «Mir ist eins durch den Kopf gegangen»,
fährt Sven fort und setzt eine philosophische Miene auf. «Liebt man eigentlich
einen Mann oder eine Frau?» Er schüttelt angesichts seiner eigenen Frage hastig
den Kopf. «Das ist nämlich Quatsch. Man liebt einen Menschen.»
    Konrads Schweigen lässt ihn lächeln.
    «Und man muss kein Psychologe sein,
um zu sehen, dass du auf dem besten Weg bist, dich in meine kleine Schwester zu
verlieben.»
     
    E s ist das zweite
Mal innerhalb einer Woche, dass sie mich betrunken erlebt, denkt Konrad. Oder schon
das dritte? Die kurze Nacht ist dabei, sich zu verabschieden, und über dem Myrsjö
liegt ein dünner Nebelschleier. Die Lampions, die Lena in der Dämmerung angezündet
hat, sind heruntergebrannt. Palander ist mit einem seligen Lächeln und den Händen
um ein auf seinem Bauch abgestelltes Kognakglas eingeschlafen. Er schnarcht leise.
Lena ist ins Bett gegangen. Jetzt kann man in der Ferne eine Nachtigall hören,
die ihr eigenwilliges Lied singt. Die Decken, in die sie sich gehüllt haben, sind
mit Tau bedeckt.
    «Erinnerst du dich noch ...», lallt
Sven zum hundertsten Mal in dieser Nacht, weiß dann aber nicht weiter. Konrad grinst
dümmlich.
    Dann fällt ihm eine Frage wieder ein,
über die er lange nachgedacht hat.
    «Dieser Wettbewerb in Göranssons Mathestunde.
Erinnerst du dich? Die Primzahlen ... Wie zum Teufel hast du es eigentlich angestellt?»
    Ein zufriedenes Grinsen macht sich
in Svens Gesicht breit. Die Innenseiten seiner Brillengläser sind leicht beschlagen.
    «Es war ganz einfach. Er hat geschummelt.
Also hab ich auch geschummelt.»
    «Und wie?»
    Er wischt die Gläser mit einer Serviette
trocken und blinzelt zufrieden.
    «Zufällig war ich am Tag zuvor ins
Lehrerzimmer geschlichen. Alles leer. Seine Mappe stand weit offen. Also hab ich
kurz reingeguckt, und da lag der Block mit den gesamten Additionen und ausgerechneten
Zahlen. Ich brauchte nur in die Bibliothek zu gehen und nachzuschlagen, was zum
Teufel Primzahlen sind, 'n paar Rechnungen anstellen und den ganzen Scheiß auswendig
lernen.»
    «Verdammt...!», ruft Konrad beeindruckt
aus.
    «Möglicherweise bin ich gar kein Genie.
Aber ich hab ein Gedächtnis wie 'n Elefant.»
    Sie lachen lange und befreiend, bis
sie nicht mehr können. Verfallen schließlich in angenehme Stille.
    «Mein Gott, was für Idioten sie waren»,
sagt Sven schließlich.
    «Mm ...»
    «Die anderen, meine ich.»
    «Wir waren die anderen, Sven», erklärt
Konrad in einem klaren Augenblick.
    Es ist drei Stunden her, seit sie einander
zum ersten Mal umarmt haben, und mehr als zwei Stunden, seit Konrad aufgehört hat,
sich darum zu scheren, dass sie beide sentimental geworden sind wie in einem Spencer-Tracy-Film.
    Die Augenlider sind schwer wie Blei,
und es ist Gertrud, die die erlösenden Worte spricht.
    «Tja, wir haben ja jetzt denselben
Heimweg.»
    «Feel free zu übernachten, wo immer
ihr wollt. Das Haus ist groß. Ich leg mich jetzt auf jeden Fall schlafen», sagt
Sven.
     
    S ie wandern
auf leeren Straßen durch den Ort. Gertrud hat sich einen roten Strickpulli, den
sie von Sven geliehen hat, über den Kopf gezogen und die Ärmel hochgekrempelt. Konrad
ist

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