Laessliche Todsuenden
klaren Absichten, überall sonst, nur nicht auf diesem Gebiet, das hatte sie ihm einmal lange erklärt. Es sollte immer alles offen bleiben, sodass man jederzeit zurückkonnte, das war für sie als Frau wichtig und als einziges verführerisch. Rument verstand das, einerseits, das Spielerische daran, aber als Mann war es so viel schwieriger, seine Wünsche zu verbergen. Dann lass dir was einfallen, hatte sie gesagt und so rotzig gelacht, wie es ihm immer schon gefallen hatte.
Und leider hatten sie es nie richtig gelernt, auf der Seite liegend und von hinten, da brauchte er ewig, um zu ihr zu finden. Sie half ihm nie. Das Gestochere entnervte ihn, und je länger es dauerte, desto anklagender sah ihn ihr Rücken an, das kam also nicht in Frage. Rument entschloss sich, konventionell in Kopfnähe zu beginnen. Er beugte sich über das Bett und legte ihren Hinterkopf frei. Er küsste sie in den Nacken, knabberte ein wenig an ihrem Ohr und flüsterte: Kaffee ist da. Sie richtete sich blitzschnell auf, fast erschrak er. Schon saß sie im Bett, die Decke eng an sich gerafft und hatte den Kaffee am Mund, beide Hände um die Tasse gelegt, als ob sie friere. Da sah er es. Zwar nicht im Gesicht, aber eindeutig am Hals, schon wieder, wahrscheinlich der ganze Oberkörper bis zum Bauch. Ohne ein Wort sprang Rument auf und lief in Joanas Bad, danach in die Küche. Bevor sie reagieren konnte, war er zurück, mit einem Glas Wasser und den Kalziumtabletten. Sie wollte hinaus, zum Spiegel, aber er ließ sie nicht. Sie stießen zusammen, Joana verschüttete Kaffee im Bett und er ein bisschen Wasser. Bleib liegen, flüsterte er, es ist nicht so schlimm, nimm erst die Tabletten. Sie sank zurück, bereitwillig, und betrachtete interessiert ihre Handrücken und Unterarme. Er stopfte ihr beide Polster in den Rücken und nahm ihr den Kaffee wieder weg. Bleib einfach liegen, sagte er, ich mach dir einen Tee.
Der letzte einschlägige Anruf aus der Zinnergasse hatte schon deswegen nichts Gutes verheißen, weil er am helllichten Vormittag kam und ihn nicht zu Hause, sondern im Lokal erreichte. Rument war gerade aus dem Großmarkt zurück und schlichtete Fleisch und Gemüse in die Kühlkammer. Außer ihm war nur die Köchin da, die die Rindsuppe für den Abend ansetzte und das Mittagsmenü vorbereitete. Joana kam immer erst gegen elf, eine halbe Stunde vor der Öffnung, denn abends ging es ja lange genug. Er vermutete, dass es sie sei, als das Telefon läutete. Doch war es Joanas Vater. Er klang verwirrt, als träume er, aber er schien nicht betrunken, und als Rument begriffen hatte, was er sagte, fragte er nur, ob Joana das schon wisse. Nein, sagte Joanas Vater, er habe es zu Hause gar nicht versucht. Bleib, wo du bist, hatte Rument gesagt, er gab der Köchin ein paar Anweisungen und ging. Am Weg hinaus nach Simmering dachte er daran, gleich beim Kommissariat stehen zu bleiben und die Beamten zu informieren. Er unterließ es. Dieser Einsatz konnte der allerharmloseste oder das Gegenteil sein, dazwischen gab es nichts. Und vernünftigerweise wollte Rument erst vom Angenehmeren ausgehen.
Joanas Vater war nach dem letzten Streit drei Tage und Nächte von zu Hause weggeblieben. Das hatte er vorher noch nie gemacht, und es hatte im Moment wenig Sinn, ihn dafür zu schelten. Vielleicht hätte Rument damit ja längst rechnen müssen, aber dazu wusste er am Ende doch zu wenig von diesen beiden grauen Gespenstern. Außerhalb der nächtlichen Notfälle waren sie liebedienerisch, boten staubige Pralinen an und entschuldigten sich ständig für ihre Deutschfehler. Nun stand dieser Vater, in Sonntagspralinenverfassung, ratlos vor verschlossenen Türen. Drinnen regte sich nichts. Die Nachbarn hatten Joanas Mutter seit Tagen nicht gesehen, aber das war nicht ungewöhnlich. Sie trank ja gern allein und brauchte sonst nicht viel.
Rument klopfte erst wie ein Idiot, wie immer, lief dann in den Hof und stieg auf die Mülltonnen. In der Küche war sie nicht, es sah auch ganz aufgeräumt aus. Da entschloss er sich, auf Polizei und Schlüsseldienst zu verzichten. Es war nur so ein Gefühl. Die Nachbarn versammelten sich im Stiegenhaus, Ungarn, Tschechen, Chilenen. Nach einigen vergeblichen Versuchen gelang es ihm, die Tür einzutreten. Ein Kind begann zu heulen. Und so fanden sie sie, ordentlich im Bett, aber trotzdem kein schöner Anblick. Damit war auch das Geheimnis von Ruments Putzmitteln gelöst. Ein paar Zeilen auf Polnisch, Rument reichte das Blatt hinter sich
Weitere Kostenlose Bücher