Laessliche Todsuenden
der Kredenz und das Silberdöschen vom Flohmarkt, in dem der Kandiszucker war. Joana liebte Alessi und teures, modernes Design, er mochte Altes, Zusammengewürfeltes. Beide waren sie stolz auf die geschmackvollen Kombinationen, die sich daraus ergaben. Nichts ist so langweilig wie alles aus einem Guss, sagten sie befriedigt, wenn sie von Martin und Ines kamen. Martin verdiente so viel, dass sie die ganze Einrichtung von Wittmann hatten und die Küche von Bulthaup. Alles modern, auch die Lampen, weißes Geschirr und Edelstahl, kein Bruch, keine Wärme, keine Farben, ziemlich steril das alles, Understatement-Protz. Joana und er dagegen hatten Stil. Sie hatten ein gutes Leben, auch wenn sie hart dafür arbeiteten. Sie verstanden sich gut. Kinder hatten sie beide nie gewollt. Alles könnte so schön sein, wenn Joana nur ein bisschen gesünder wäre.
Als Rument den Tee eingoss, sagte Joana, man sollte diesmal vielleicht wirklich zum Arzt. Ihr sei das unheimlich, woher das schon wieder komme, und ihr Kreislauf sei auch nicht der beste. Rument konzentrierte sich darauf, nichts zu verschütten. Jetzt trink erst mal, sagte er, und dann schau ich mir das alles in Ruhe an. Was willst du da groß anschauen, fragte sie, es ist doch immer dasselbe. Ich glaube, meine Stirn schwillt an.
Noch nichts zu sehen, sagte Rument, wirklich nicht, ich wäre doch der erste, der …
Joana stellte die Teetasse ab und legte sich überraschenderweise auf den Bauch. Wenn es auch am Rücken ist, ist es schlimm, sagte sie in ihren Kopfpolster hinein und zog das T-Shirt aus der Jogginghose. Rument beugte sich über sie und schob das T-Shirt ganz hinauf. Beim Schlafen wenigstens trug sie keinen BH. Ihr Rücken war weiß und unversehrt, hier und da ein Leberfleck. Er fuhr mit den Handflächen zart darüber, hin und her, Joana antwortete sofort mit einer massiven Gänsehaut.
Was ist, fragte sie.
Na ja, sagte er und war fast blind vor Lust. Wenn sie nur ein paar Minuten so liegen bleiben würde und sich streicheln lassen, mehr wollte er doch gar nicht. Er wusste, dass er mehr wollte. Aber es war undenkbar, in dieser Situation. Er musste sich beeilen. Er zog den Gummibund ihrer Hose ein Stückchen herunter. Da lag er, ihr schmaler, bleicher Po, ihr halbkugeliger Kinderarsch, andere Männer wussten, wie man das machte, ein bisschen anheben und rein damit, ohne Diskussion, aber er, er grübelte seit Jahren ergebnislos über den richtigen Winkel, er hätte sie alle beide schwer verletzt.
Was ist jetzt, fragte sie ungeduldig und wollte sich umdrehen. Er hielt ihren Po mit beiden Händen fest, drückte ihn fast gegen die Matratze und bemerkte, wie sie erstarrte. Er beugte sich noch tiefer über sie, und es war ihm völlig egal, ob er sie skandalöserweise mit seinem Schwanz berührte, in der Kniekehle oder an der Wade, so genau war er sich über die Lage ihrer Körper gerade nicht im Klaren. Laut schmatzend und saugend, mit so viel Lippeneinsatz wie ein Stummfilmstar, küsste er erst die linke, dann die rechte Pobacke, zog die Hose wieder hinauf, klopfte noch einmal darauf wie bei einem prächtigen Pferd und sagte: Alles in Ordnung, alles wunderschön, mein Schatz, leider sehe ich das viel zu selten. Als er sie losließ, drehte sie sich sofort um und setzte sich auf, er hätte wetten können, dass sie versuchte, ihm zwischen die Beine zu schauen. Aber er war großzügig und überprüfte es nicht.
Rument hatte schon alles probiert. In der ersten Zeit hatte er poetisch verhüllt darüber zu sprechen versucht, sexuelle Anträge verpackt als zarte Liebeserklärungen, sieh her, wie sehr ich dich begehre. Dem hatte sie mit ihrem Vortrag über ihr Problem mit den klaren Absichten und die Erotik des offenen Ausgangs ein abruptes Ende bereitet. Als ihre Eltern starben, hielt er sich schon aus Pietät zurück, und es dauerte lange, bis sie sich wieder halbwegs gefangen hatte. Sehr viel später kam eine Phase, wo er verbissen abgewartet hatte, in der Überzeugung, dass auch Frauen Bedürfnisse haben, vielleicht nur in ganz anderen Abständen. Als er das einmal sechs Monate stur ohne jeden Versuch, ohne jede Anspielung durchhielt, da schien es sie auf einmal doch zu irritieren. Eine kurze, eitle Zeit lang labte sich Rument an dem Gedanken, dass sie ihm eine Affäre zutraute. Aber wann hätte er die haben können? Doch nur frühmorgens, wenn er zum Schlachthof oder in den Großmarkt fuhr. Danach standen sie beide im Lokal, oft genug sechs Tage die Woche, und wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher