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Laessliche Todsuenden

Laessliche Todsuenden

Titel: Laessliche Todsuenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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nicht dort waren, waren sie gemeinsam woanders.
    An jenem Abend, der die sechsmonatige Trockenperiode beendete, hatte Rument zu Hause gekocht, ein seltenes Vergnügen, nur für sie beide. Es gab Salat, Fisch und ein ungeheuer aufwendiges Ingwer-Zitronen-Parfait aus dem französischen Kochbuch. Zum Dessert hatten sie einen schweren Rotwein aufgemacht, und obwohl Joana schon rote Bäckchen bekam, trank sie immer weiter. Er war zu schwach, um sie, die doch sonst kaum trank, zu mahnen, beinahe war es ihm egal. Er beobachtete sich, wie er sie tatenlos beim Trinken beobachtete, er sah ihre roten Flecken und überlegte nur, wie viele Kalziumtabletten sie noch hatten und ob Wein allein auch Schlimmeres erzeugen konnte, Schwellungen, Atemprobleme. Fahren würde er im Notfall nicht mehr können, aber es gab ja Taxis. Er hatte selbst zu viel getrunken und war müde, traurig und stumpf. Er brauchte Urlaub. Er dachte daran, einen Geschäftsführer einzustellen oder das Lokal zu verpachten, es wurde ihm alles zu viel. Aber Joana wollte davon nichts hören, sie hatte immer Angst, dass das Geld nicht reichen würde, und der Geschäftsführer, der einen nicht beschiss, der sei noch nicht geboren. Sie plauderten ein bisschen über Gerhard und Kathi, über deren immer groteskere Versuche, ein Kind zu bekommen. Die beiden hatten Temperaturkurven und Zervixschleimtabellen geführt und auf Kommando gevögelt, sie waren beim Homöopathen gewesen und bei der Bioresonanz, Gerhard hatte bereits zwei Spermiogramme hinter sich, beide unauffällig, und Kathi eine Bauchspiegelung, bei der die Durchlässigkeit ihrer Eileiter überprüft worden war. Jetzt blieb eigentlich nur mehr die Künstliche. Seit Joana sie letztens aufgefordert hatte, sich doch einfach mal zu entspannen und die ganzen Therapien, Kurven und Kügelchen eine Zeit lang auszusetzen, um endlich auf andere Gedanken zu kommen, waren sie eingeschnappt. Man soll sich nicht einmischen, sagte Rument, schon gar nicht bei einem so heiklen Thema wie der Reproduktion. Sie ist meine beste Freundin, erwiderte Joana, wer soll sich unbeliebt machen, wenn nicht ich?
    Später kam Joana mit der Schnapsflasche, es war wirklich ein außergewöhnlicher Abend. Sie schenkte großzügig ein, dann stießen sie mehrmals an und waren froh, dass sie solche Probleme nicht hatten. Als sie schließlich ins Bett taumelten und er sich schwer neben sie fallen ließ, wobei er sie zufällig an der Schulter berührte, da schien Joana ihn irgendwie misszuverstehen, weil sie auf einmal murmelte, aber mach schnell. An viel mehr konnte er sich am nächsten Tag nicht erinnern, obwohl er unzweifelhaft ohne Pyjamahose aufgewacht war. Schon am Nachmittag lag Joana mit einer Wärmflasche im Bett, schluckte Cipro und ging zwei Tage nicht arbeiten. Und die Zeit begann wieder von vorne zu laufen.
    Von der Kräuterhexe hatte Rument eine Creme bekommen, die die Haut nach einer allergischen Reaktion beruhigen sollte. Der Glastiegel war schwer und altmodisch, die Creme roch nach gar nichts, war aber erstaunlich gelb, wie Butter. Der Expertenstolz quoll der Kräuterhexe aus allen schrulligen Ritzen, als sie die seltenen Kräuterextrakte aufzählte, die die Creme enthielt und die sie direkt von einem Osttiroler Senner bezog. Rument hatte die Namen der Pflanzen sofort vergessen, weil er von der Vorstellung abgelenkt war, dass er Joana damit vielleicht werde eincremen dürfen. Ringelblume, dachte er nun, wahrscheinlich wegen der gelben Farbe, war da eventuell Ringelblume drin? Nach seiner Inspektion von Joanas Rücken war er von der Bettkante aufgestanden, um mit wehendem Bademantel diese Creme zu holen. Als er den Spiegelschrank öffnen wollte, fiel sein Blick auf den Stapel mit den frischen Handtüchern im Regal hinter ihm. Sollte er schnell hinuntergreifen und sich Erleichterung verschaffen? Doch dann überwog die Sorge um Joana, und er konzentrierte sich wieder auf die Creme. Er freute sich, dass er sie bisher zurückgehalten hatte. Nun bot sie ihnen beiden Trost und Überraschung.
    Er hielt Joana den Tiegel am ausgestreckten Arm hin, geradezu ironisch, wenn Joana einen Sinn für solche Ironie gehabt hätte. Rument rechnete mit einer Diskussion, da Joana doch eine Körperlotion besaß, eine sauteure aus der Apotheke, wie er genau wusste, weil jeder von Zeit zu Zeit nötige Produktwechsel auf diesem Gebiet Gegenstand von ausufernden Gesprächen war. Rument befürchtete, dass Joana die Creme für sinnlos halten würde – schließlich

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