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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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vom See aus an. Es verstärkte das mulmige Gefühl in seinem Magen, das er seit fast zwei Wochen mit sich herumtrug. Das Gefühl, dass irgendwo irgendjemand Dinge tat, die sie nicht beeinflussen konnten. Dass sie diejenigen waren, die beobachtet wurden, nicht umgekehrt. Er konnte den Blick nicht von diesem Auge wenden, das etwa so groß war wie ein halbes Dutzend übereinander gestapelter Reisebusse.
    »Tosca«, flüsterte eine Stimme hinter dem Kommissar. Das brach den Bann, und Kluftinger drehte sich um.
    »Die Oper. Tosca«, sagte Bydlinski und zeigte auf das Auge. »Ich hab mir alles angeschaut, was die letzten Jahre hier lief. Tosca auch. Das war sensationell. Hab auch für heuer wieder Karten. Ist wirklich eine Reise wert.«
    Kluftinger war baff. Bydlinski mochte Opern? Er hätte ihm bestenfalls eine Sammlung der größten Hits von DJ Ötzi zugetraut. Anscheinend steckte doch mehr in dem Kollegen als vermutet … wie Yildrim es angedeutet hatte.
    Ein ehrfürchtiges Nicken war die Antwort des Kommissars auf Bydlinskis Information. Dann sahen sie beide zu Yildrim und den Kollegen aus Österreich hinüber, die in der Tribüne Platz genommen hatten. Der BKA-Mann gestikulierte wild in alle Richtungen, während seine Gesprächspartner immer mehr in sich zusammensackten. Auf sie kam eine Menge Arbeit zu. Als sich die kleine Gruppe von den Sitzen erhob und zu ihnen kam, blickte er in versteinerte Gesichter. Yildrim tauschte Visitenkarten mit den Männern aus und sicherte ihnen jede Hilfe zu, die sie benötigten.
    Als sie außer Hörweite waren, sagte er: »Wie ich’s mir gedacht habe. Völlig unzureichende Sicherheitsvorkehrungen. Da werden sie noch einiges zu tun haben.« Kluftinger und Bydlinski nickten bedeutungsvoll. »Wir natürlich auch«, fügte Yildrim hinzu.
    Ein paar Sekunden hing jeder seinen Gedanken nach, dann klatschte Yildrim plötzlich in die Hände: »So, ich hab einen Riesenhunger. Wie wär’s, wenn wir vor der Rückfahrt noch ein österreichisches Mahl zu uns nehmen? Vielleicht eine Mehlspeis?«
    »Also, wenn’s euch nix ausmacht, tät ich lieber so lange ins Kunsthaus gehen. Super Ausstellung grad. Oder wollt’s ihr mit?« Auch Yildrim überraschte Bydlinskis Frage, das sah Kluftinger. Als der Task-Force-Leiter nicht sofort antwortete, verabschiedete sich der Österreicher für eine Stunde. Allerdings nicht, ohne ihnen vorher noch ein Lokal mit dem besten Kaiserschmarrn in Vorarlberg zu empfehlen.
    Sie hatten sich eine Viertelstunde lang wortlos ihrem Essen gewidmet … Yildrim hatte Kluftinger ebenfalls zu Kaiserschmarrn überredet, obwohl ihm eher nach etwas Deftigem gewesen war –, als der Kommissar in seinem Kopf eine Frage formulierte, die er schon eine ganze Weile mit sich herumtrug. Er wusste nicht genau, wie er sie stellen sollte, denn sie war noch nicht wirklich ausgereift, eher ein Schemen, ein ungutes Gefühl in der Magengrube, das sich mit der Dauer seines Spezialeinsatzes verstärkte. Yildrim schien dieses Unbehagen zu spüren. »Das Ganze setzt Ihnen zu, nicht wahr, Herr Kluftinger?«
    »Ja. Ich meine: Es ist natürlich mein Beruf, aber …«
    »… aber Sie haben es eben eher mit normalen Fällen zu tun. Klaren Strukturen. Täter und Opfer. Und vor allem mit vollendeten Tatsachen. Nicht mit einer diffusen Bedrohung.«
    »Ja, genau.« Kluftinger war erleichtert.
    »Sehen Sie, mein Freund …« Zum zweiten Mal an diesem Tag gebrauchte Yildrim diese Wendung. »Ich bin auch nicht in die Terrorbekämpfung hineingeboren worden. Es gibt ja keinen Ausbildungsplatz dafür. Sie fangen beim BKA nicht mit einem Praktikum ›Bombenanschläge‹ an, um sich dann zu ›Globaler Terrorismus‹ hochzuarbeiten. Ich kann also Ihre momentane Lage sehr gut verstehen. Aber Sie müssen auch mich verstehen. Wo eine Terrorbedrohung entsteht, müssen wir mit den Behörden vor Ort zusammenarbeiten. Wir bringen das Know-how mit, die Kollegen kennen sich in den Strukturen aus. Wir würden Sie gerne verschonen, aber unterm Strich würde es ja gar nichts ändern.«
    Yildrim schob mit der Gabel die goldgelben Teigfetzen auf seinem Teller hin und her. Dann legte er das Besteck weg, lehnte sich zurück und blickte auf den See. Sie saßen auf der Terrasse eines Lokals an der Uferpromenade und genossen die warmen Sonnenstrahlen und den fantastischen Ausblick.
    »Die Gefahr ist existent. Das ist Fakt. Sie ist da, ob Sie sie bekämpfen oder nicht. Ich finde, Ihre Situation ist sogar noch privilegiert: Sie

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