Laienspiel
was damit gemeint war. Aber sich gleichzeitig aufs Fahren zu konzentrieren, über die Weltreligionen zu diskutieren und dann auch noch Gedichte zu analysieren, das war wirklich etwas viel verlangt.
»Wie auch immer: Extremismus ist keine Erfindung des Islam«, schloss Yildrim.
»Sie wollen also sagen«, fasste auch Kluftinger für sich zusammen, »dass es ebenso buddhistische Terroristen geben könnte?«
Sein Beifahrer sah ihn an und brach dann in schallendes Gelächter aus. Auch, wenn er nicht genau wusste, warum, entschloss sich Kluftinger, einfach mitzulachen.
In diesem Moment ging das sonore Brummen hinter ihnen in ein gutturales Grunzen über. Keine zwei Sekunden später war Bydlinski erwacht und sagte ohne Umschweife: »Anhalten. Ich muss ludln.«
Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte Yildrim zum Kommissar, doch der zuckte nur die Achseln.
»Hä?«
»Bitte, heißt des. Und ich muss boaln.«
Als keine Reaktion erfolgte, setzte Bydlinski nach: »Herrgott, wie nennt’s ihr denn das? Soachen, lenzn, schiffen, Himmelherrgott.«
Yildrim mischte sich ein: »Ich glaube, der Herr Kollege möchte uns in seiner schlichten Art und Weise mitteilen, dass er ein gewisses körperliches Bedürfnis verspürt und er Ihnen deswegen nahelegt, doch eine Pause zu machen.«
Jetzt war es Bydlinski, der die Augenbrauen hochzog. »Piefke«, sagte er lediglich und schüttelte den Kopf.
Kluftinger fuhr beim nächsten Rastplatz kurz vor der Ausfahrt Lindau raus und hielt. »Oh, kein Klo hier«, sagte er.
»Passt schon«, gab Bydlinski zurück, stieg aus und schlug sich in die Büsche.
Yildrim sah ihm gedankenverloren nach. »Das ist schon eine Marke, unser Kollege, was? Aber er hat auch seine Vorzüge.«
Kluftinger nickte, auch wenn er sich nicht sicher war, welche das sein sollten. Aber Yildrim hatte Menschenkenntnis. Er würde schon wissen, warum er ihn weiter in der Task Force behielt. Dann fiel ihm etwas ein. »Haben Sie eigentlich die Adresse von der Polizeistation in Bregenz?«
»Ja, natürlich. Warten Sie.« Yildrim kramte einen Zettel aus seiner Hosentasche. »Bahnhofstraße einundfünfzig. Warum, kennen Sie sich da aus?«
»Nein, aber jemand, den ich kenne.« Kluftinger öffnete das Handschuhfach und holte stolz das Navigationsgerät heraus.
»Na, Sie arbeiten hier ja mit den neuesten technischen Errungenschaften, Respekt.«
»Nein, nein, das ist mein eigenes. Mein Sohn hat es mir neulich gezeigt. Ich muss nur die Straße eingeben.« Er steckte es in die Halterung, die Markus ihm vor zwei Tagen eingebaut hatte. Nach ein paar Fehlversuchen schaffte er es tatsächlich, mit dem winzigen Plastikstift die Adresse einzugeben und drückte nun auf »Route berechnen«.
Inzwischen war auch Bydlinski wieder im Auto, und sie fuhren weiter.
»Das hab ich mir vor Kurzem gegönnt«, sagte der Kommissar in Richtung Rückbank mit Blick auf den kleinen Bildschirm an seinem Armaturenbrett. »Ich bin zwar auch immer ganz gut angekommen, aber man darf sich der neuesten Technik eben nicht verschließen.«
»Sauber, Kollege«, raunte Bydlinski, »so eine Weltoffenheit hätt ich dir gar nicht zugetraut.«
Als sie bei der Ausfahrt Lindau angelangt waren, begann das Gerät zum ersten Mal zu sprechen. »Dreizehnheure.«
Kluftinger schluckte. Was sollte das denn bedeuten? Gerade hatte er noch große Töne gespuckt von wegen neuer Technik und nun kam so eine kryptische Aussage aus dem Gerät.
»Dreizehnheure«, tönte die blecherne weibliche Stimme noch einmal. Kluftinger schielte nach rechts, ohne den Kopf zu bewegen, doch Yildrim schien das Navi gar nicht zu beachten. Auch Bydlinski schaute gedankenverloren aus dem Fenster.
Was Kluftinger verstanden hatte, klang wie »Dreizehn Euro«. Aber was sollte das für eine Richtungsangabe sein? Er hatte mit konkreten Anweisungen à la »rechts«, »links«, »geradeaus« gerechnet. Allerdings hatte er auch noch nie ein Navigationsgerät besessen, geschweige denn in Aktion erlebt. Wahrscheinich war auch die Sprachausgabe bei laufendem Motor etwas schwer zu verstehen. Deswegen versuchte er, das Gehörte zu deuten. Immerhin: Er wusste, dass er die Ausfahrt Lindau nehmen musste, um am See entlang nach Bregenz zu fahren. Denn das kurze Stück auf der österreichischen Autobahn erforderte bereits eine Vignette. Möglicherweise war das bei einer Dienstfahrt aber auch … Moment. Vignette, natürlich. Das war es. Das Navigationsgerät hatte ihm zu verstehen geben wollen, dass er für das Stück
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