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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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wissen mehr als die Ahnungslosen um Sie herum.« Er machte eine Handbewegung in Richtung der Spaziergänger am Seeufer. »Sie haben die Möglichkeit, etwas zu tun, müssen nicht wie Schlachtvieh auf irgendeine Katastrophe warten.«
    »Nun ja, das Vieh weiß nicht, dass es bald zur Schlachtbank muss. Auch ein Privileg in gewisser Weise. Aber Sie haben schon Recht, Herr Yildrim. Das ist es auch nicht. Natürlich macht mir das Ganze zu schaffen, aber das haben andere Fälle auch schon. Es ist nur: So was … Großes, hier bei uns … das passt einfach nicht.«
    Yildrim sah ihm lange in die Augen. Kluftinger hielt seinem Blick stand. Dann nickte der Task-Force-Leiter und seine pechschwarzen Locken wippten dabei im Takt. »Ich weiß, was Sie meinen. Das hat mich auch geschockt. So weit sind wir noch nie in … na, in die Provinz eben, vorgedrungen. Ist jetzt nicht abwertend gemeint. Das gibt allem noch einmal eine neue Dimension. Auch wenn sich die Terroristen hier nur verstecken, hier sozusagen ihren Planungsstab aufstellen, um dann doch wieder woanders zuzuschlagen: Es nimmt der Region hier ein wenig von ihrer Unschuld.«
    Das war es. Genau das hatte Kluftinger gemeint. Genau das hatte er gefühlt, als zum ersten Mal eine nennenswerte Drogenkriminalität im Allgäu in Erscheinung trat. Als sich die Mafia hier breitgemacht hatte. Solche Dinge hatten hier nichts zu suchen. Und doch waren sie Teil der Welt, in der sie lebten. Sie konnten sich dem nicht entziehen. Nicht mehr. Er seufzte.
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Sie sind allem Anschein nach nicht direkt die Zielscheibe, das ist doch schon was. Für die meisten Menschen, nämlich die, die in den Metropolen leben, gilt das nicht. Ich weiß, das ist ein schwacher Trost, denn die Ausläufer bekommen Sie genauso zu spüren. Aber glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche: Das ist immer noch die bessere Variante.«
    Langsam nickte Kluftinger. Wahrscheinlich hatte sein Gegenüber Recht. Es fiel ihm einfach nur schwer, der aktuellen Situation etwas Positives abzugewinnen.
    In diesem Moment klingelte Yildrims Handy.
    Kluftinger nutzte die Zeit, um auch sein Telefon wieder einzuschalten. Er hatte es kurz nach dem Passieren der Grenze und der damit verbundenen SMS, dass er ganz herzlich im ausländischen Netz begrüßt werde, ausgemacht. Er wusste, dass er bei jedem Anruf mitzahlte, also wollte er erst gar keine empfangen. Nachdem sich das Gerät ins Netz eingewählt hatte, begann es wie wild zu piepsen. Als es sich wieder beruhigt hatte, schaute er ungläubig aufs Display: neunzehn unbeantwortete Anrufe. Eine schreckliche Ahnung überkam ihn. Daheim würde doch nichts … Er bestätigte mit OK und seufzte erleichtert auf. Die Anrufe waren von Dr. Langhammer.
    Seine Erleichterung wurde nach wenigen Sekunden von Irritation abgelöst: Weshalb hatte der Arzt so oft versucht, ihn zu erreichen? War vielleicht doch etwas passiert? Am Ende mit Erika? Oder Markus? Seinen Eltern? In diesem Moment erschien auf dem Display der Text »Eine neue Nachricht«. Sie war ebenfalls von Langhammer, doch Kluftinger verstand sie nicht. »Habe Sie heute gesehen. Sollten uns wirklich unterhalten. Bevor alles rauskommt und Ihre Frau leidet. Bitte rufen Sie mich an. LG Dr. Langhammer.«
    Mehrere Dinge an dieser SMS gaben Kluftinger Rätsel auf. Zum einen die Buchstabenkombination am Ende. Was sollte »LG« bedeuten? Langhammers Geheimsprache? Lauter Geschwätz? Langsamer Gehirnschwund? Labernder Gesundbeter? Auch die Tatsache, dass der Arzt sogar seine Kurzmitteilungen mit seinem Titel unterschrieb, ließ den Kommissar seufzen. Doch das waren nur Nebenschauplätze. Er hatte ihn gesehen, stand in der Nachricht. Wobei? Und warum sollte seine Frau leiden?
    Er überlegte sich gerade ernsthaft, ob er den Doktor zurückrufen sollte, da wurde er von Yildrim abgelenkt, der aufgeregt in sein Handy sprach: »Das ist nicht wahr … sicher? … und es gibt keinen … gut!« Yildrim packte das Handy weg, sah für einen Moment aufs Wasser, wandte sich dann Kluftinger zu und sagte tonlos: »Wir müssen. Schnell. Es geht weiter. Ich erkläre Ihnen alles im Auto.«
    Als sie in Kempten ankamen … zu zweit, denn sie hatten Bydlinski auf dem Handy nicht erreicht und ihm lediglich auf die Mailbox sprechen können, dass er mit dem Zug zurückfahren müsse –, war Kluftinger bereits bestens im Bilde über das, was sie im Büro erwarten würde. Yildrim hatte unterwegs einige hektische Telefonate geführt,

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