Laienspiel
folgte das zweite Bein, dann sackte Kluftinger japsend auf dem Bürgersteig zusammen. Nach ein paar Sekunden drehte er sich um, steckte seinen Kopf zwischen die Gitterstäbe der Brüstung und sah den Flüchtigen etwa dreihundert Meter weiter auf das Ufer zuschwimmen. Er kniff die Augen zusammen, riss sie wieder auf … seine Waffe, wo war … Panisch griff er danach und spürte sie im Schulterholster. Wie gebannt starrte er auf die Wasseroberfläche. Seine Schläfen pochten … Schweiß brannte in seinen Augen … Und mit einer Wucht, die ihn selbst überraschte, wurde sein Kopf nach vorn gerissen, und er übergab sich würgend in den Fluss.
»So!« Bydlinski war inzwischen bei ihm angelangt. »Willst ihn jetzt vergiften, oder was?« Kluftinger wischte sich mit dem verdreckten Ärmel seiner Jacke über den Mund und lehnte sich mit dem Rücken ans Geländer.
»Warum bist du nicht gesprungen?«, wollte Bydlinski wissen.
»Spring doch selber«, gab Kluftinger krächzend zurück.
Der Österreicher reckte den Hals und sah aufs Wasser. Dann sagte er angewidert: »Ja pfui Teufel! Jetzt nimmer!«
Es war bereits gegen elf, als Kluftinger versuchte, möglichst unbemerkt in sein Büro zu schlüpfen. Dort hatte er immer eine Ersatzgarnitur Kleidung hängen. Er wollte unbedingt den neugierigen Fragen der Kollegen, warum er denn von oben bis unten nass und verdreckt sei, aus dem Weg gehen.
»Ja, sag mal, du bist ja von oben bis unten nass und verdreckt, was ist denn los, Klufti? Gehört das zu eurem Spezialauftrag? Ermittlungen im internationalen Schlammcatchermilieu?«, grinste ihm Hefele bereits entgegen, als er noch auf dem Treppenabsatz stand.
»Red doch nicht so saudumm daher«, blaffte Kluftinger zurück. »Habt ihr keine Arbeit, oder wie?« Dann ließ er Hefele stehen und ging durch die Glastür auf den Korridor, der zu seinem Büro führte.
Hefele stand betreten da.
»Jetzt Klufti«, rief er ihm nach, »sei halt nicht gleich eingeschnappt! War ja nicht so gemeint. Was war denn los?«
»Roland, ich hab euch gesagt, das ist eine geheime Aktion!« Dann schlüpfte der Kommissar in sein Büro.
»Geheime Aktion, verstehe!«, wiederholte Hefele, doch es klang ganz und gar nicht so, als habe er wirklich Verständnis dafür.
Kluftinger war erleichtert, sein Zimmer leer vorzufinden. Er zog sich um, putzte sich das erste Mal die Zähne mit der Zahnbürste, die ihm seine Frau mal mitgegeben hatte und von der sicher gewesen war, dass er sie nie brauchen würde, packte seine schmutzigen Klamotten in eine Plastiktüte, wusch sich den Staub aus dem Bart und wollte sich wieder auf den Weg nach draußen machen, als sich ohne vorheriges Klopfen die Tür öffnete.
Herein kam Strobl, der allerdings rückwärts lief und einen Plattenwagen hinter sich her zog, wie Kluftinger ihn aus der Registratur kannte. Darauf befanden sich einige offene Umzugskartons und ein paar Schreibtischutensilien. Als der Wagen die Tür gänzlich passiert hatte, rollte Hefele mit dem Fuß einen riesigen blauen Gymnastikball herein, an die Brust gepresst hielt er einen großen Blumentopf mit einer grün-weißen Lilie, von der bereits zahlreiche Ableger herunterhingen.
Kluftinger identifizierte sie unschwer als die in seinen Augen unansehnlichste Zimmerpflanze der gesamten Direktion, die Maier hinter seinem Schreibtisch am Fenster stehen hatte und die er hütete wie seinen Augapfel. Vor seinem Urlaub stellte er stets einen Gießplan auf, den er, ausgedruckt auf leuchtgelbem Glanzpapier, am schwarzen Brett neben Sandy Henskes Schreibtisch aufhängte und den nie jemand befolgt hatte. Stattdessen gab man der Pflanze erst am Ende der zwei oder drei Wochen wieder Wasser, damit sie sich bis zum Eintreffen ihres Inhabers wieder etwas erholen konnte. Maier schwor jedenfalls auf die Formaldehyd bindende Wirkung der Lilie, die angeblich nur dann voll ausgeprägt war, wenn die Pflanze regelmäßig »bepflegt« werde, wie er sagte.
Strobl und Hefele hatten Kluftinger noch nicht entdeckt, er stand so hinter der Tür, dass die ihn verdeckte. Hefele schob Kluftingers Schreibtischstuhl zur Seite, rollte den Ball unter den Tisch und stellte schließlich die Pflanze auf dem Tisch ab.
Strobl begann damit, Kluftingers Schreibtisch abzuräumen und die Dinge, die sich darauf befanden, in eine der Umzugskisten zu legen.
»Unser werter Herr Kluftinger, dass der so kindisch rum tut mit seinem tollen Geheimnis, lächerlich, oder?«, sagte er zu Hefele, der jetzt die Pflanze
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