Laienspiel
Wand kamen? »Wir bleiben zusammen«, zischte er Bydlinski zu, der aussah, als sei er froh über diese Entscheidung des Kommissars.
Gemeinsam schlichen sie, den Rücken eng gegen die Wand gepresst, zum ersten Durchgang. Etwa drei Meter, bevor sie ihn erreichten, ließ sie ein Zischen zusammenzucken. Sie sahen sich ratlos an, blickten sich dann um, um den Ursprung des Geräusches zu lokalisieren, der irgendwo im hinteren, dunkleren Bereich des Raumes liegen musste. Da begann es unmittelbar neben ihnen ebenfalls zu zischen.
Noch bevor Kluftinger feststellen konnte, was die Quelle dieses Geräusches war, spürte er die Feuchtigkeit. Einzelne Wassertropfen perlten auf sein Gesicht und seine Kleidung. Der Duschkopf über ihnen röchelte ein paar Sekunden lang wie ein asthmatisches Pferd, dann rauschte es, und genau in dem Moment, in dem sie erschrocken die Köpfe hoben, ergoss sich aus ihm ein Schwall stinkender, rostiger Brühe. Die Polizisten taumelten zurück, als auch der nächste Duschkopf anfing, Wasser zu speien, dann einer nach dem anderen, bis es schließlich von allen Seiten auf sie niederprasselte. Sie zogen die Köpfe ein und rannten gebeugt auf einen der Durchgänge zu. Doch das Wasser und der Dreck verwandelten die Fliesen in eine Rutschbahn, und so schlitterten sie mehr, als dass sie liefen, rutschten schließlich aus und landeten beide auf dem Boden im Duschraum der ehemaligen Spinnerei und Weberei … keuchend, nass und völlig verdreckt.
Erst als sie sich gegenseitig stützten, gelang es den Männern, sich aufzurappeln. Schließlich verließen sie den Duschraum mit vorsichtig tastenden Schritten. Es war für Kluftinger eine echte Befreiung, als er endlich wieder griffigen Belag unter seinen Sohlen spürte, und er lief erneut los. Sein Ziel war der Lichtschein am hinteren Ende des Flures. Über die Schulter schrie er Bydlinski zu: »Laufen Sie nach draußen, zu einer der Illerbrücken, falls er da rüber will.« Dann konzentrierte er sich auf seine Atmung, die einem Keuchen schon wieder beunruhigend nahe kam. Das Blut rauschte in seinen Ohren, als er den Ausgang erreichte und in die gleißende Helligkeit stolperte. Für einen Augenblick war er geblendet und sah überhaupt nichts mehr. Als die Welt für ihn langsam wieder Konturen annahm, erkannte er, dass er ganz allein vor dem Eingang stand.
Nervös blickte er nach rechts, wo sich ein langer, schmaler Grünstreifen zwischen der Fabrik und der steilen Uferböschung schlängelte. Links machte der Weg einen Knick und verschwand hinter der Halle. Kluftinger entschied sich intuitiv für diese Richtung und hastete los, verlangsamte sein Tempo aber, als er an der Ecke ankam.
Und da hörte er das Geräusch.
Es war ein leises Scharren, dann ein Schritt, dann wieder dieses Scharren. Das Herz des Kommissars pochte so wild, dass er fürchtete, er würde sich dadurch verraten. Er schluckte und wägte seine Alternativen ab: Bydlinski konnte er nicht rufen, dazu müsste er seine Deckung preisgeben. Und er hatte ihn in die andere Richtung geschickt, wofür er sich jetzt verfluchte. Auch sein Handy nutzte ihm nun nichts, telefonieren wäre zu laut. Schweißtropfen sammelten sich auf seiner Stirn, als ihm klar wurde, dass er den Mann allein würde stellen müssen.
Was also sollte er tun? Kluftinger sah auf seine Waffe. Das Scharren war nun unmittelbar hinter der Biegung. Mit einem gewaltigen Satz sprang der Kommissar um die Ecke, riss instinktiv die Waffe hoch und schrie. Der Schrei brach förmlich aus ihm heraus, noch bevor er irgendeinen klaren Gedanken fassen konnte. Erst ein, zwei Sekunden später, als sein Verstand sich durch das Dickicht der Angst an die Oberfläche kämpfte, sickerten seine eigenen Worte in sein Bewusstsein und er erstarrte. Doch es waren nicht nur seine Worte, die ihn erschreckten, auch der Anblick hinter der Ecke wirkte wie ein Schock. Das hatte er nicht erwartet: Das Scharren, das er gehört hatte, wurde von einem Gehwägelchen verursacht, hinter dem eine alte, faltige Frau gebeugt vor sich hin trottete. Sie blieb kurz stehen, fixierte den Kommissar ein paar Sekunden lang mit wässrigen, aber wachen Augen, schüttelte den Kopf und schlurfte in gemächlichem Tempo weiter.
Kluftinger war wie versteinert. Was war nur mit ihm los? Er nahm sich fest vor, das Schießtraining, vor dem er sich in der letzten Zeit so gut es ging gedrückt hatte, in Kürze freiwillig zu absolvieren. Und noch etwas nahm er sich vor: Er würde nie jemandem
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