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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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jedem Freilichtspiel im Volk mitspielte, stand nur wenige Meter neben ihnen und musterte ihren Sohn besorgt. Der versuchte einfach, sie zu ignorieren. Schließlich gab sie ihrem Mann einen Stoß in die Seite und flüsterte laut genug, dass es ihr Sohn auch hören konnte: »Komm, geh halt auch mit hin. Hilf halt dem Jungen. Nicht, dass was passiert.«
    Vater und Sohn verdrehten gleichzeitig die Augen; dennoch tat der Senior, wie ihm geheißen. Als es schließlich so weit war, Kluftinger die Fackeln in den Brennspiritus tauchte, damit sie schneller Feuer fingen, und sie von Ludger mit einem brennenden Holzscheit anzünden ließ, beobachtete ihn sein Vater genau.
    »Au weh«, murmelte er von Zeit zu Zeit, wahlweise entschwand seinen Lippen auch ein »Oh« oder »Jesses«.
    Irgendwann platzte Kluftinger der Kragen: »Herrgott Vatter, wenn dir was nicht passt, dann sag’s halt klar und deutlich oder lass es sein!« Dabei meinte Kluftinger für einen kurzen Moment, seinen Sohn Markus zu hören, der manchmal genau dasselbe zu ihm sagte, sogar im gleichen Wortlaut, und ein mulmiges Gefühl beschlich ihn. Er wollte nicht so werden wie sein Vater, das hatte er sich doch immer geschworen.
    Als sie schließlich mit ihren Fackeln in der Abenddämmerung standen, um die Rütli-Szene zu proben, ging Kluftinger wieder einmal das Herz auf. In dieser Szene würde es bei den Vorstellungen bereits dunkel sein … ein spektakuläres Bild würde das abgeben, und er war stolz darauf, Teil eines so besonderen Projektes zu sein. Das Ganze garniert mit den unsterblichen Sätzen Schillers, der … er konnte seine Schwärmerei nicht zu Ende führen, weil irgendetwas gegen seine Hüfte klopfte. Als er den Kopf senkte, sah er, dass es die Hand des Doktors war. Offensichtlich wollte er ihm damit das Versmaß anzeigen, damit er beim gemeinsam gesprochenen Schwur nicht aus dem Takt kam.
    Vielleicht würde es diesmal doch nicht ganz so schön werden wie sonst, seufzte Kluftinger in Gedanken und dachte wehmütig an die Freilichtaufführungen ohne Langhammer. Hätte der ein bisschen weniger am Dorfleben teilgenommen, hätte es in Kluftingers Augen ganz und gar nicht geschadet. Der Doktor schien von Kluftingers Gedanken jedoch nichts zu bemerken und klopfte munter weiter gegen seine Hüfte. Da hellte sich die Miene des Kommissars auf, er kippte seine Fackeln ganz leicht zur Seite, sah, wie sich ein brennender Wachstropfen davon löste, begleitete dessen Flugbahn mit einem kleinen Stoßgebet und schickte sofort ein Dankgebet hinterher, als das Klopfen schlagartig aufhörte und der Doktor seine Hand mit einem schrillen »Aaaah!« zurückzog.
    »Herr Martin, Sie müssen schon auch im Takt bleiben«, schaltete sich sofort der Regisseur ein.
    »Aber, ich, er …«, stammelte Langhammer, offenbar fassungslos darüber, dass er öffentlich gerügt wurde.
    Doch Frank ließ gar keine Diskussion aufkommen: »Wir machen’s noch einmal, bitte jetzt alle konzentrieren.«
    Als Kluftinger rund eine halbe Stunde später die sogenannte Spielerhütte, ein massives, großes Holzhaus, das den Mitwirkenden als Kantine diente, betrat, musste er sich mühsam ein Grinsen verkneifen: Der Doktor rieb auf seiner Hand mit einem Eiswürfel herum. Da seine Frau bei Langhammers am Tisch saß, blickte er sich suchend um und entdeckte schließlich den jungen Mann, mit dem er von nun an für die Fackeln verantwortlich war. Er saß allein an einem Tisch und schien vor sich hin zu träumen. Da Kluftinger seinen Namen nicht mehr wusste, setzte er sich lautstark zu ihm auf die Bierbank und polterte: »So, schläfst du?«
    Ludger blickte ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
    »Ich habe gedacht, mir müssen uns mal ein bisschen kennenlernen, wenn wir uns schon zusammen ums Gefahrgut kümmern«, fuhr Kluftinger fort. »Also, woher kommst du?«
    »Aus Österreich.«
    »Au weh, da hab ich grad auch einen ganz Speziellen bei mir im G’schäft. Und wie lange bist du schon da?«
    »Seit einem halben Jahr.«
    »Woher bist du denn?«
    »Aus Imst. Tirol«
    »So so, kimmst aus Imst?«, grinste Kluftinger, doch sein Gegenüber verzog keine Miene.
    »Was machst du denn so beruflich?«
    »Dies und das.«
    Kluftinger runzelte die Stirn. »Hast du heute keine Bauernsprechstunde, hm?« Dann erhob er sich und klopfte dem jungen Mann auf die Schulter. »Wenn ich dir einen Tipp geben darf: Du musst schon noch ein bisschen aufwachen. So Schläfer finden bei uns im Allgäu nur schwer

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