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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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Wie mit der Wasserwaage ausgerichtet lagerten sie aufeinander, nirgends schaute etwas heraus.
    Kluftinger erhob sich und nahm die Kartons in Augenschein. Alle waren nach einleuchtenden Sachgebieten und Themen geordnet und fein säuberlich mit Computerausdrucken beschriftet. Nur eine Kiste trug die Aufschrift »Diverses«. Bei Kluftinger wären es gut und gerne fünf gewesen. Das oberste Etikett konnte der Kommissar nicht lesen. Er öffnete den Karton und sah hinein. Neben einem Blatt mit der Aufschrift »Wegwerfen!« fanden sich darin jene Dinge von seinem Schreibtisch, die sich mit den Jahren in der untersten Schublade angesammelt hatten: kaputte Werbekugelschreiber in Schlangen- oder Pommesform, Feuerzeuge, eine Schneekugel aus Zell am See, ein Kunststoff-Lorbeerkranz, den er zu seinem fünfzigsten Geburtstag von seiner Abteilung geschenkt bekommen hatte, eine Tasse in Form eines Kuheuters, bei der der Henkel fehlte, und schließlich ein Feuerzeug, das aussah wie eine Spielzeugpistole.
    Empört nahm Kluftinger seine Devotionalien aus der Kiste. Nur einen abgebrochenen, knapp fünf Zentimeter langen Bleistift und zwei leere Luftballons von der Allgäuer Festwoche beließ er im Müllkarton und besiegelte somit ihr Schicksal. Den Rest stopfte er in die »Diverses«-Kiste.
    Er ging zu seinem Schreibtisch zurück und fühlte, wie sich die positive Stimmung Maier gegenüber allmählich wieder ein wenig abschwächte. Dessen penible Ordnung war Kluftinger zuwider. Fein säuberlich reihten sich die vorbildlich gespitzten Bleistifte aneinander. Lediglich Maiers heiß geliebtes Diktiergerät lag ein wenig schräg zur 90-Grad-Achse des Tisches.
    Automatisch wischte er über das kleine Display, um es zu reinigen. Eine Verhaltensweise, die er sich bei seinem Handy angewöhnt hatte, das öfter Kontakt mit den Bonbonresten in seiner Jackentasche hatte. Allerdings schaltete er dabei versehentlich das Gerät an, denn aus dem Lautsprecher krähte Maiers oberschwäbischer Dialekt.
    Was er da hörte, verschlug dem Kommissar den Atem. Er erfuhr, dass sein Büro organisatorisch in einem katastrophalen Zustand sei, er seine Abteilung ohnehin nur schlampig und nachlässig führe und seine Archivierung mangelhaft sei. Kluftinger konnte es nicht fassen: Richard Maier erteilte seinem Chef tatsächlich Schulnoten. Maier war auch der Ansicht, dass der Kollege Hefele bei der Aufgabenverteilung »unkooperativ bis renitent« sei, diesbezüglich müsse er, Maier, andere Saiten aufziehen. Darüber hinaus würde er all dies mit Lodenbacher besprechen. Dann verstummte das Gerät. Kluftinger knallte es auf den Tisch und wartete hinter seinem Schreibtisch auf die Ankunft Maiers, nicht jedoch ohne vorher noch die Luft aus dem albernen Sitzball zu lassen.
    Als zehn Minuten später sein Kollege den Raum betrat, legte Kluftinger ohne ein Wort der Begrüßung los: »Was bildest du dir eigentlich ein? Du hast dich nicht in unseren Fall einzumischen. Kümmer dich besser mal um deinen Bagatellkram, verstanden? Die Task Force hat deine Unterstützung garantiert nicht nötig. Es war schon immer deine Spezialität, deine Nase in Dinge zu stecken, die dich nicht das Geringste angehen. So etwas kann auch ohne Weiteres disziplinarische Folgen haben.«
    Maier hatte die ganze Zeit mit offenem Mund dagestanden. Nur bei dem Wort »disziplinarisch« war er kurz zusammengezuckt.
    Kluftinger wandte sich zum Gehen. Auf eine Erwiderung legte er keinen Wert. Beim Hinausgehen bedachte er die Umzugskartons mit einem scheelen Blick und schimpfte, wie es hier überhaupt aussehe, man ziehe ja noch nicht morgen oder übermorgen um, und sein Büro sei kein Speditionslager.
    Dann knallte er die Tür hinter sich zu. Als er an Sandy Henske vorbeirauschte, hielt die ihn kurz mit der Mitteilung auf, dass Dr. Langhammer den ganzen Nachmittag lang im Viertelstundenrhythmus angerufen und nach ihm gefragt habe.
    »Den Deppen sehe ich heut Abend bei der Probe noch früh genug«, brummte der Kommissar und stapfte in den Feierabend.
    Erika und ihr Mann nutzten den wieder einmal herrlichen Abend, um zur Probe ins Freilichtspielgelände am Ortsausgang zu laufen. Einige Mitspieler taten es ihnen gleich, sodass eine kleine Prozession aus dem Dorfkern auf die halbrunde Arena zuströmte. Erika hatte sich bei ihrem Mann untergehakt und war froh, dass er den gestrigen Abend so schnell verdaut hatte. Sie hinkte nur noch leicht, nachdem sie, wie geheißen, immer wieder Salbenverbände am Knöchel angelegt

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