Laienspiel
hatte. Kluftinger sog den Duft der erst kürzlich gemähten Wiesen ein und freute sich auf den geselligen Abend. Heute war er ganz in seinem Element.
Als sie die Spielfläche betraten, winkten ihnen schon Annegret und Martin Langhammer zu, die auf der Tribüne saßen und warteten, und Kluftinger fiel wieder ein, dass der Doktor ihn ja ganz dringend hatte sprechen wollen. »So, was gibt’s denn?«, fragte er ihn nach einer kurzen Begrüßung. Doch Langhammer schüttelte nur den Kopf, den Rest seines schlaksigen Körpers stocksteif auf dem Sitz haltend.
»Ich mein ja bloß, weil Sie so oft angerufen haben bei mir …«
Erika wandte sich ihnen zu, und Langhammer machte ein Gesicht, als habe er gerade in eine Zitrone gebissen. Als Erika sich wieder in ihre Unterhaltung mit Annegret vertiefte, zuckte der Doktor immer wieder mit dem Kopf in Richtung von Kluftingers Frau und hob dabei bedeutungsvoll die Augenbrauen.
»Haben Sie was mit dem Hals?«, erkundigte sich Kluftinger, dem keine bessere Erklärung für die Verrenkungen des Doktors einfiel. Dann blickte er zu den beiden Frauen und sah, dass Annegret seiner Gattin sanft über den Oberarm strich, was sie mit den Worten begleitete: »… immer für dich da, das weißt du. Also, wenn’s dir mal nicht so gut gehen sollte, du über was reden willst …«
Was war denn heute in die beiden gefahren?, fragte sich der Kommissar. Normalerweise redete der Doktor doch viel lieber über sich selbst.
»… jetzt trinken wir erst mal eine Tasse Kaffee, das wird dir guttun.«
Erika warf ihrem Mann einen ratlosen Blick zu und ging dann mit Annegret hinter die Bühne.
Langhammer folgte ihnen mit den Augen. Als er der Meinung war, sie seien außer Hörweite, begann er umständlich: »Hören Sie, mein Guter. Ich … wirklich, was Annegret gerade zu Ihrer Frau gesagt hat, das gilt natürlich auch für mich …«
Dass er einen Kaffee trinken sollte? Kluftinger verstand nur Bahnhof.
»Ich meine, dass wir für Sie da sind«, konkretisierte Langhammer.
»Wissen Sie, das mit Erikas Fuß, das ist nicht so schlimm. Wir sind sogar gerade hergelaufen«, beruhigte Kluftinger.
»Nein, im Ernst: Wir haben stets ein offenes Ohr. Für Sie beide.«
Kluftinger machte große Augen. »Ah so, ja ja, natürlich, mhm. Danke auch«, erwiderte er.
»Wissen Sie, es geht mich ja nichts an …« Langhammer machte eine Pause. Egal, was er jetzt noch sagen würde, dachte sich Kluftinger, mit dieser Einleitung würde er auf jeden Fall Recht behalten. »… aber, nun ja, ich bin Arzt, wie Sie wissen. Mir ist sozusagen nichts Menschliches fremd. Also, wenn’s bei Ihnen beiden nicht mehr so klappt … ich meine, es gibt da Mittel, auch medikamentös, wie Sie sicher gehört haben, die das Feuer wieder entfachen. Und ebenso gibt es solche, die zu heiß loderndes Feuer … na, eben etwas dämpfen. Könnte ich sogar verschreiben, so etwas.«
Kluftinger hatte das Gefühl, dass der Doktor russisch mit ihm redete. Spielte er irgendwie auf den gestrigen Abend an? Auf Kluftingers Tanzstil? Der Kommissar legte die Stirn in Falten. Er fürchtete jedoch, dass eine Erklärung dieses kryptischen Gestammels in einen der berüchtigten Monologe des Doktors ausarten könnte. Deswegen tat er, was er für das Beste für sie beide hielt … er log: »Verstehe.«
Langhammer blickte ihn prüfend an. Er schien irgendwie zu erwarten, dass sein Gegenüber mehr dazu sagen würde als nur ein dürres Wort. Als das nicht passierte, setzte er erneut an. Doch der Regisseur kam ihm zuvor: »Alles auf Auftrittsposition bitte«, schallte es über die Anlage.
Kluftinger zuckte entschuldigend mit den Achseln und erhob sich. Er wollte nur schnell weg von hier. Den ganzen Weg über die Spielfläche meinte er, den Blick des Doktors in seinem Nacken zu spüren.
Als sich schließlich alle Männer auf der Spielfläche versammelt hatten, trat der Regisseur vor sie. »Also, Amici …« Wenn er etwas erklärte, benutzte Frank gerne diese italienische Form der Anrede, was ihn in Kluftingers Augen noch seltsamer machte, als er ohnehin schon war. »… ich habe es Ihnen ja bereits ein paar Mal gesagt«, begann Frank, wobei er vor ihnen hin und her lief, die Arme auf dem Rücken verschränkt, sein Textbuch unter die rechte Achsel geklemmt. »Das ist eine Schlüsselszene des ganzen Stücks, der Rütli-Schwur. Und wir müssen aufpassen, dass er uns nicht abfällt, nur, weil wir und die Zuschauer ihn so gut kennen. Es ist wichtig, dass
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