Laienspiel
man doch einen Abschiedsbrief des hoch verschuldeten Mannes in dessen Wohnung gefunden.
Als sich Hefele und Strobl zu Kluftinger umdrehten und ihm einen viel sagenden Blick zuwarfen, wurden sie sofort mit den Worten »Aufpassen, meine Herren! Nicht ablenken lassen, hier spielt die Musik!«, von ihrem Aushilfschef zur Ordnung gerufen.
Als kurz darauf Strobl versonnen zum Fenster hinaussah, bedachte ihn Maier mit einem strengen Blick und herrschte ihn, noch bevor er reagieren konnte, schulmeisterlich an: »Wiederhole bitte sofort meine Frage, Eugen!«
Strobl runzelte die Stirn, sah verstohlen zu Kluftinger und setzte zu einer Antwort an. Maier kam ihm jedoch mit seinem »ich höre …« zuvor.
Leise sagte Strobl: »Du hast gefragt, ob ich etwas über die Lebensumstände dieses Mannes erfahren hab.«
»Und?«, klang Maier ungeduldig.
»Habe ich. Er ist, nun, wie soll ich da anfangen … Von der Kleidung her, …«
Strobl suchte nach den passenden Worten, um seinen Bericht auszuschmücken. Er wusste, dass Kluftinger gern auch Details hörte, damit er sich ein Bild von der jeweiligen Situation machen konnte. So wollte er beispielsweise bei Selbstmördern oder Kriminalitätsopfern stets wissen, welche Autos die Leute fuhren, welche Socken sie trugen oder welche Nahrungsmittel sich in ihrem Kühlschrank befanden. Eine Eigenheit, die Maier allem Anschein nach nicht teilte: »Eugen: kurz und prägnant bitte, du weißt, dass ich dieses ewige Geschwätz nicht mag.«
Kluftinger missfiel, dass sich Strobl daraufhin nicht etwa aufregte, sondern sich schuldbewusst räusperte und nunmehr einen knappen und zugegebenermaßen präzisen Bericht ablieferte.
Hefele wollte gerade etwas anmerken, wurde aber von Maier unterbrochen: »Stopp. Roland, du hast nicht gezeigt. Wer sich nicht meldet und nicht aufgerufen wird, hat nicht das Wort. Das haben wir zusammen so vereinbart gestern. Das wisst ihr nur zu genau. Also, Roland, bitte Handzeichen.«
»So ein Schmarrn jetzt«, fand Hefele, aber Maier ließ nicht locker: »Melden oder schweigen.«
Hefele hob also die rechte Hand. Mit generöser Geste ließ Maier ein »Bitte, Roland« vernehmen.
»Also ich denke, wir können die Leiche zur Beerdigung freigeben«, sagte Hefele nun leise.
»Sehr schön«, sagte Maier und klang dabei ein wenig wie Kluftinger nach dem ersten Geigenvorspielabend seines Sohnes, nachdem ihn der sechsjährige Markus gefragt hatte, wie er denn seine Solointerpretation von »Der Mond ist aufgegangen« gefunden habe.
Kluftinger, der das Ganze nicht mehr mit ansehen wollte, meldete sich zu Wort: »So, Männer, ich bräuchte für heute Nachmittag einen oder zwei von euch, für eine Beschattung, Sonderauftrag, eine heikle Sache.«
Kluftinger hatte das Wort »Freiwillige« noch nicht zu Ende gesprochen, schon waren die Hände von Hefele und Strobl nach oben geschnellt.
»Ich mach’s super, versprochen. Ich kann doch so toll beschatten, bitte, Klufti«, ereiferte sich Strobl. Hefele rief: »Nein, bitte, nimm mich. Bitte, bitte. Ich bin doch total unauffällig, weißt du?«
Kluftinger wusste nicht, wie ihm geschah. Mit so viel Diensteifer hatte er nun wirklich nicht gerechnet.
Nun mischte sich Maier ein: »Also tut mir wirklich leid«, sagte er in Kluftingers Richtung, »aber meine beiden hier sind im Moment unabkömmlich. Keine Chance, ich kann dir auf keinen Fall jemanden abordnen. Aber wenn du willst, ich könnte mich vielleicht schon freimachen, wenn es unbedingt sein müsste. Ich denke, ich wäre doch der prädestinierte Mann dafür, als Dienstältester …«
Nun platzte Kluftinger der Kragen: »Jetzt mach mal halblang, Richie. Bloß weil ich hier gerade nicht da bin, brauchst du dich nicht aufzuführen wie der Innenminister. Du machst dich ja völlig lächerlich. Dich kann ich bei der Observation eh nicht brauchen, mit deiner Wichtigtuerei. Die beiden werden mich ab dreizehn Uhr unterstützen. Diesen Pillepallefall wirst du wohl mal allein abschließen können. Und lass mir ja die Sandy in Ruhe, die ist für dich nicht zuständig.«
Maier schnappte nach Luft, stand auf und verließ mit bebenden Lippen und sich mit Tränen füllenden Augen das Büro.
Eine Weile herrschte angespannte Stille. Kluftinger hatte wieder auf dem Sofa Platz genommen und spielte nervös an dem kleinen Kugelschreiber, der zu seinem Terminkalender gehörte. »Sagt mal«, fragte er Hefele und Strobl schließlich, »was war das denn jetzt? Seit wann seid ihr denn so übereifrig?
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