Lallbacken
Gesellschaft stehen: die bestmögliche Ausbildung, die höchstmögliche Qualifikation, die Spitzenbesoldung. Zur Zeit laufen in dem Beruf zu viele Notlösungen rum, die sichtlich überfordert sind, den befohlenen Gleichschritt der Lernenden zu koordinieren.
Das ist vermutlich auch ein Grund für schulische Disziplinprobleme – immer öfter trifft man Schüler, die ihre Lehrer für potentielle Amokläufer halten. Bei dem Thema ließ Brandenburgs ehemaliger Innenminister Schönbohm regelmäßig den gewalttätigen Exgeneral raushängen: Straffällig gewordenen Schulschwänzern wollte Lallbacke Schönbohm elektronische Fußfesseln anlegen. Und die Aschaffenburger Lallbacke Norbert Geis, die mehrmals pro Woche den Eindruck erweckt, schon lange nicht mehr kalkresistent zu sein, wollte ernsthaft über den Vorschlag nachdenken lassen. Aber es findet sich niemand dazu bereit, solche autoritären Kanisterköppe jedes Mal, wenn sie sich öffentlich äußern wollen, zu knebeln.
Friedrich Carl von Savigny, ein Lehrer der Gebrüder Grimm, schrieb: »Die Kunst eines Lehrenden besteht darin, die produktive Energie des Schülers methodisch zu beleben und ihn die Wissenschaft selbst ausfinden zu lassen.« Solche Überlegungen waren schon um 1800 in der Theorie selbstverständlich. Die Theorie zumindest hat sich gut gehalten.
In der Praxis geht es darum, den passenden Nachwuchs für den Arbeitsmarkt heranzuzüchten, ihn schnell fit zu machen für Leistungs- und Konkurrenzdruck, ihn dem gesellschaftlichen Gleichschritt anzupassen. Den schätzt besonders Hessens ehemaliger Ministerpräsident Roland Koch, der immer wieder besorgt ist um die nationale Identität der Deutschen. Lallbacke Koch will, dass »die Schülerinnen und Schüler Respekt vor unserer Fahne haben«. Warum Minderjährige Respekt haben sollten, wenn ein besoffener Politiker aus dem Hals stinkt, sagte er nicht.
Die Politik unterstützt, dass immer mehr wirtschaftliche Interessen Einfluss auf die Bildung der Kinder nehmen. Unternehmensverbände und Handelskammern fordern ganz offen, dass Schule die Schüler maximal auf den Arbeitsmarkt vorbereiten soll. Sponsoring-Programme sind eine beliebte Strategie von Unternehmen, sich in der Schule einzunisten: Immer mehr Konzerne sind aus den Schulen gar nicht mehr wegzudenken, weil den staatlichen Schulen das Geld fehlt. Bildung wird immer mehr zur Privatsache. Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände forderte die Politik schon auf, dafür zu sorgen, dass bis zum Jahr 2015 alle Schulen privatisiert sind. Vor allem will der Verband, dass Schule als soziale Einrichtung abgeschafft und stattdessen in einen Dienstleistungsbetrieb umgewandelt wird.
Da sind die berüchtigten Pisa-Studien äußerst hilfreich. Dieses Leistungsranking wird ja von der OECD veranstaltet, und das ist keine Lehrervereinigung, sondern die »Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung«. Da werden abfragbare Kompetenzen und der Tauglichkeitsgrad von Kindern für die zu erwartende Arbeitsleistung gemessen. Alles, was sie sonst noch können – alles Musische, Handwerkliche, die Teamfähigkeit und ihre soziale Kompetenz –, das alles wird nicht gemessen, und das interessiert auch niemanden.
Aber im Zusammenhang mit Pisa wird gerade von Politikern viel von Bildung, individuellem Lernen und Chancengleichheit geschwafelt. Und die Bildungsministerin immer vorneweg.
Dabei kann man ganz sicher sein: Würden die deutschen Schulen bei der Pisa-Studie international weit vorn liegen, dann würden die Finanzminister sagen, na also, es geht doch, und in den Schulen auch noch das Wasser in den Toiletten einsparen.
Warum nehmen Eltern das hin und setzen ihre Kinder selbst auch noch unter Druck? Weil sie tagtäglich auf eine verwertungsorientierte Erziehung getrimmt werden, indem man ihnen von morgens bis abends einbläut, welche Herausforderungen der globalisierte Arbeitsmarkt stellt und dass Minderqualifizierte auf der Strecke bleiben. So kommen dann die gut situierten Muttis und Vatis des kleinen deutschen Karl-Friedrich zu der Ansicht, dass eine verlängerte gemeinsame Schulzeit mit dem türkischen Ali und dem russischen Witali ihrem Sohn den Abstieg ins Prekariat aufnötigen würde. Sie denken auch, dass irgendjemand schließlich die einfachen Arbeiten erledigen muss, deshalb braucht das Land Menschen mit niedrigen Schulabschlüssen und ohne die nötige Integration, die ja einen sozialen Aufstieg ermöglichen könnte. Die gut
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