Lallbacken
ich geschlossen in den Hungerstreik treten.« Bayerns Innenminister Beckstein forderte Schäuble auf, ein Bekenntnis zur deutschen Verfassung abzulegen, anderenfalls möge er sich selbst abschieben, und CDU-Generalsekretär Pofalla sagte in den Tagesthemen : »Sollte Herr Schäuble nicht zurücktreten, werde ich nie wieder im deutschen Fernsehen erscheinen.«
Absurde Wunschträume. An Lallbacke Schäuble wurde nur eines wirklich deutlich: Es gibt kein deutsches Wort für Selbstbestimmung.
Auf Schäuble folgte Thomas de Maizière. Der nahm zu der Frage Stellung, ob Deutschland einen Teil der Bootsflüchtlinge aus Tunesien aufnehmen sollte, die auf der italienischen Insel Lampedusa gelandet waren. De Maizière lehnte das ab: »Wir können nicht die Probleme der ganzen Welt lösen.« Für diesen Satz gebührte dem Minister Dank. Selten hat ein Regierungsmitglied derart ehrlich die Verlogenheit der deutschen Flüchtlingspolitik beschrieben. Die Verlogenheit bestand darin, Probleme systematisch vor die eigenen Landesgrenzen zu verlagern und dann so zu tun, als gehe einen das Elend nichts an.
Nach diversen unliebsamen Vorkommnissen auf dem Mittelmeer wusste auch Innenminister de Maizière: Schiffbrüchige muss man retten, aber Flüchtlinge sollte man lieber nicht retten. Wer beispielsweise 37 namenlose, in Seenot geratene Afrikaner nicht unbemerkt und anonym ertrinken lassen wollte und sie rettete, machte sich – wie der Kapitän der Cap Anamur – eitler Selbstdarstellung schuldig. Das Problem bestand darin: Der Tod von 37 Flüchtlingen vor der Küste war lange nicht eine so gewaltige Herausforderung für die Behörden, wie es ihr Überleben wäre. Das konnte man sich ja vorstellen, was für finanzielle und auch verwaltungsrechtliche Schwierigkeiten 37 klatschnasse Neger, die keinen Cent in der Tasche hatten, machten, wenn die lebend an Land kamen. Da war es dann für die öffentliche Hand schon zuträglicher zu warten, bis eine Lösung des Problems außerhalb offizieller Maßnahmen erfolgte, etwa auf meteorologischer Basis.
Obwohl ihm diese Problematik nicht fremd war, hat der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, in einem Interview gemahnt, Deutschland dürfe »nicht im Abseits stehen«, wenn es darum gehe, den Menschen »schnell und unkompliziert zu helfen«. Er forderte die Bundesregierung auf, »500 oder 1 000 Flüchtlinge vorübergehend« in unserem Land aufzunehmen. Das war natürlich eine große humanitäre Geste. Damit Flüchtlinge aus Nordafrika diesen Edelmut nicht falsch deuteten, fügte Trittin an, dass sie aber »keinen Anspruch auf politisches Asyl« hätten: »Wenn sich die Lage in Libyen oder Tunesien wieder beruhigt, müssen sie in ihre Heimatländer zurückkehren.« In ihrem Grundsatzprogramm hatten die Grünen sich einst als »Garanten des Asylgrundrechts unserer Verfassung« beschrieben. Lallbacke Trittin saß damals vermutlich an seinem Stammtisch.
Die Ansicht, dass Deutschland von Asylbewerbern überschwemmt sei, stimmt nicht. Die weitaus meisten Asylanträge scheitern am komplizierten Flüchtlings-Duldungs-Bleiberechts-Kuddelmuddel. Vom Angekommenen über den Asylbewerber zum anerkannten Flüchtling – das dauert Jahre. Und bis es so weit ist, hat der Flüchtling gute Chancen, abgeschoben zu werden.
Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann machte sich für Massenabschiebungen von Roma ins Kosovo stark, der bayerische Innenminister Joachim Hermann hielt an den Sammelunterkünften für Asylsuchende fernab von bayerischen Dörfern und Städten fest, und Bundesinnenminister Thomas de Maizière wurde Abschiebeminister des Jahres 2010. Diese Ehrung verliehen ihm »Jugendliche ohne Grenzen«, ein Zusammenschluss junger Flüchtlinge in Deutschland, weil er trotz aller Warnungen Flüchtlinge nach Griechenland abschieben ließ. »Obwohl Flüchtlinge in Griechenland keine Chance auf Asyl haben, auf der Straße leben und illegal in die Türkei abgeschoben werden. Darum hat de Maizière verdient gewonnen«, erklärte die Sprecherin von »Jugendliche ohne Grenzen«. Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk, Amnesty International und der EU-Flüchtlingsbeauftragte hatten davon abgeraten, Flüchtlinge nach Griechenland abzuschieben. Doch Lallbacke de Maizière ist ein ehrenwerter Mann: Er ist Mitglied im Evangelischen Kirchentagspräsidium und weiß, wie man als Christ Friedensethik und Verteidigungspolitik zusammenbringt.
Das war auch ein guter Grund, warum der Abschiebeminister
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