Lallbacken
Steuereinnahmen.
Geschmeidigkeit war das Gebot der Stunde: Ein Minister empfahl, auf Urlaub zu verzichten, ein anderer meinte, für ein gesegnetes Alter sollten die Leute doch einfach auf ein neues Auto verzichten. Das rief sofort mehrere bedeutende Politiker auf den Plan, die forderten das Gegenteil: So viel Geld wie möglich in neue Autos und anderen Krimskrams zu stecken, wegen Binnennachfrage. Das Dilemma war offenkundig: Wenn die Daseinsfürsorge privatisiert wurde, brauchte es höhere Sparraten, doch jeder Euro, der nicht ausgegeben wurde, schadete der Wirtschaft. Aber die Lallbacke von einem Finanzminister traute sich nicht, das auszusprechen. Er pupte in seinen Strandkorb und freute sich, dass er mal wieder in der Zeitung stand.
Und die Zeitung schrieb auch, was der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, Arndt Frauenrath, zur Absicht der Regierung, die Eigenheimzulage zu streichen, sagte: »Wer den Wunsch von annähernd achtzig Prozent der Bevölkerung, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, nicht ernst nimmt, gehört abgewählt.«
Analog könnten die deutschen Winzer verkünden: Wer den Wunsch von achtzig Prozent der Bevölkerung, sich abends einen hinter die Binde zu kippen, missachtet, gehört zurückgetreten.
Weil die Eigenheimzulage wegfiel, wurden weniger Häuser gebaut, und die Bauindustrie schwächelte. Dadurch gab es mehr Arbeitslose. Das war günstig, weil man die Pendlerpauschale kürzen konnte. Die war kurz vorher erhöht worden, um den Verlust auszugleichen, der den Pendlern durch die Erhöhung der Ökosteuer entstanden war, die die Fahrer vom Pendeln abhalten sollte. Die Pendlerpauschale diente aber auch dazu, an den Tankstellen die Rentenkassen zu füllen. Weil gerechterweise aber auch Radfahrer und Fußgänger die Pendlerpauschale kassieren durften, füllten sich die Rentenkassen nicht wie gewünscht. Deswegen sollte die Pendlerpauschale wieder weg – aber wohin damit?
Man vertraute sie der Autoindustrie an – die konnte so lukrative Sonderangebote herausbringen, um die Pendler zum Autokauf anzuregen, denn es war ja klar, dass der Wegfall der Pendlerpauschale den Umsatz der Autoindustrie drücken würde, weil sich niemand ein Auto kaufte, wenn er kein Eigenheim hatte, vor dessen Tür er das Auto parken konnte, für dessen Betrieb er aber draufzahlen musste, um an eine Arbeitsstelle zu gelangen, die er gar nicht hatte. Deswegen blieb er untätig in seiner Sozialwohnung sitzen und träumte von einem Eigenheim, das er sich nicht bauen konnte, weil die Eigenheimzulage weggefallen war. So fügte sich eins zum anderen und offenbarte letztendlich eine tiefe Logik. Aber für einen Finanzminister ergab sich ein Problem nach dem anderen.
Ob ein Finanzminister nun blöde oder dreist oder beides ist, das lässt sich nur schwer durchschauen. Die Senkung der Spitzensteuersätze sollte Deutschlands Besserverdiener in die Lage versetzen, sich endlich mal wieder richtig satt zu essen, die zerschlissene Garderobe zu erneuern und vielleicht sogar ein neues Gebrauchtfahrrad zu kaufen. Das, so hieß es, werde die Binnennachfrage ankurbeln, die Konjunktur beleben und letztendlich Millionen neue Arbeitsplätze schaffen. Gerade hatte man sich vorgenommen, dem Rat des Bundesfinanzministers zu folgen und so den Aufschwung herbeizuführen, da bettelte der, man solle unbedingt Bundesschatzbriefe kaufen und dadurch dem Staat Geld leihen, gegen Zinsen, und zwar am liebsten das Geld, das der Staat gerade für die Senkung der Spitzensteuersätze herausgerückt hatte, weil diese Steuergeschenke ja irgendwie finanziert werden mussten. Wenn man nicht genau wüsste, dass Finanzminister immer alles ganz präzise durchdenken, könnte man vermuten, die wollen einen verarschen.
Steuerzahlers liebstes Kind war immer die Gemeindefinanzreform. Weil sie so unkompliziert war, so nachvollziehbar und so bürgernah. So gab es Kommunen, die planten, Straßenbeleuchtung und Polizeiwachen abzuschaffen, weil es billiger und auch nachbarschaftsförderlicher war, wenn jeder Bürger mit Taschenlampe und eigenem Schlagstock Streifendienst versah. Im großen und ganzen ging es bei der Gemeindefinanzreform immer darum, das Geld, das weder Bund noch Länder hatten, den Kommunen zukommen zu lassen. Damit das klappte, mussten sich die Freiberufler so arm rechnen, dass sie die 500 Millionen Euro Effizienzgewinne, die aus der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe resultierten, selbst einstreichen durften, was ihnen
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