Lallbacken
Pfütze, machte als Verkehrsminister einfach da weiter, wo Stolpe aufgehört hatte. Aber er war nicht so telegen und wurde in Umfragen dementsprechend selten erkannt – ein Befragter meinte sogar, ihn als Angeklagten in einer »Barbara Salesch«-Folge gesehen zu haben, wo es um einen Fahrraddiebstahl ging. Wenn Verkehrsminister Tiefensee an einem eiskalten Januarabend im Aktenaufzug seines Ministeriums steckengeblieben und erst beim nächsten Neujahrsputz von Reinigungskräften gefunden worden wäre, hätte vermutlich niemand eine Vermisstenmeldung aufgegeben.
Tiefensee wurde Minister mit der Empfehlung, die Olympiabewerbung Leipzigs vergeigt zu haben. Das war ein bitterer Reinfall. Dabei hatte Leipzig gute Noten bekommen: für nimmermüden Enthusiasmus, für die Sicherheits- und Umweltstandards, für Intrigen, Filz und Kungeleien – was eben so dazugehört bei den Spielen der Jugend der Welt. Und als man sich bei der Verkündung des niederschmetternden Urteils des Internationalen Olympischen Komitees im Fernsehen noch fragte, woran es wohl gelegen haben könnte, dass Leipzig durchgefallen war, da sah man neben Tiefensee plötzlich einen Mann stehen, der immer dann erscheint, wenn etwas in die Grütze geht: Manfred Stolpe.
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee litt nicht an einem Übermaß an Inspiration in Bezug auf den Straßen- oder Bahnverkehr. Aber er hatte eine ganz abgefahrene Idee, wie man das kreative Potential der Arbeitslosen nutzen könnte: Er wollte Hartz-IV-Empfänger als Patrouillen im öffentlichen Nahverkehr einsetzen – zur »Erhöhung des Sicherheitsgefühls« im Kampf gegen Terror und alles Böse dieser Welt. Und ein Herr Binninger, eine Lallbacke von der christlichen Brikettfraktion, assistierte: »Wir müssen auch an bewaffnete Zugbegleiter denken – sogenannte Rail Marshals, vergleichbar mit den Sky Marshals auf vielen Flügen.«
Wie durfte man sich das vorstellen? Der Rail Marshal erspäht einen jungen Gotteskrieger, der in der Kantine eines Rüstungskonzerns einen Sprengstoffgürtel anlegt, er zieht seine Knarre, ruft »Hände hoch!« und ballert, ohne eine Antwort abzuwarten, in Putativnotwehr sein ganzes Magazin leer, bis der Tresen inklusive Stammessen, Servicepersonal und Kaffeemaschine ausgelöscht sind? Oder eine arbeitslose 55-jährige Sozialpädagogin, zur Security Hostess umgeschult, die das Recht hatte, Gefangene zu machen und im Notfall sogar zu liquidieren, lässt sich den Inhalt sämtlicher Koffer in der ersten Klasse eines ICE zeigen? Diese kühne Vision verkaufte Lallbacke Tiefensee der Öffentlichkeit tatsächlich als »Denkanstoß«.
Wirtschaftsstaatssekretär Joachim Wuermeling fühlte sich verpflichtet, Tiefensees kühne Überlegung auch noch zu interpretieren: »Jede Art von Sicherheitsvorkehrung hat einen gewissen zeitlichen und finanziellen Aufwand zur Folge. Wir werden nicht zögern, den Unternehmen diese Belastung aufzuerlegen. Aber als Wirtschaftsministerium haben wir auch stets im Blick, dass die Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen stehen.« Lallbacke Wuermeling meinte: Sicherheitsmaßnahmen, die Firmen belasten, könnte man doch von Hartz-IV-Empfängern ausführen lassen. Kostenlos. Sonst wäre ja zu befürchten, dass neue Arbeitsplätze entstehen, die bezahlt werden müssen, und so eine Sauerei darf man ja auf keinen Fall unterstützen.
Nach der Bundestagswahl ist Lallbacke Tiefensee in der Regierung geblieben, allerdings treibt er seitdem seinen Schabernack unter dem Namen Ramsauer.
Verkehrsminister Peter Ramsauer stellte erst mal klar: »Die Bahn ist für mich kein x-beliebiges Unternehmen, sondern hat eine hohe patriotische Komponente.« Da muss er nur regelmäßig mit dem Zug von Köln nach Hamburg fahren, da ist schnell Schluss mit der Vaterlandsliebe.
Man kann ja den Eindruck gewinnen, das politische Spitzenpersonal fährt nicht so oft mit der Deutschen Bahn AG. So stellte Wolfgang Böhmer, seinerzeit Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, bei dem Zusammenstoß einer Regionalbahn mit einem Güterzug etwas irritiert fest: »Es muss wahrscheinlich ein Haltesignal überfahren worden sein. Denn dass zwei Züge aufeinander fahren, geht aus den normalen Fahrplänen nicht hervor.«
Nicht ganz so witzig, aber ebenso weltfremd Verkehrsminister Ramsauer: »Ich erwarte von der Deutschen Bahn, dass die Züge bei minus vierzig Grad genauso zuverlässig fahren wie bei plus vierzig Grad. Reisen muss komfortabel sein und darf nicht zum Risiko
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