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Lallbacken

Lallbacken

Titel: Lallbacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Venske
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für die Gesundheit werden.« Genauso gut kann er seiner Erwartung Ausdruck verleihen, dass die Bahn sich nicht auf Grund von Navigationsfehlern verirrt, den Blinker einschaltet, wenn sie auf eine Nebenstrecke abbiegt, und dass die Züge nachts aus Platzspargründen aufrecht abgestellt werden.
    Lallbacke Ramsauer muss nun aushalten, dass er es nicht mehr mit dem gestörten Mehdorn zu tun hat, sondern mit einem mindestens genauso durchgeknallten Bahnchef namens Grube. Der teilte dem Volk mit: »Ein Widerstandsrecht gegen einen Bahnhofsbau gibt es nicht.«
    Das konnte Bahnchef Grube sagen, weil er in einer Demokratie lebt, wo man solche Meinungen äußern darf. Menschen, die keine Bahnchefs sind, leben dagegen in einer Welt, wo Widerstand gegen Bahnhofsneubauten nicht nur zwecklos, sondern sogar verboten ist. Und zwar von Bahnchef Grube.
    Seit Bahnchef Grube im Amt ist, hat sich der Einfallsreichtum der Bahn noch verschärft. Ständig lässt sie sich neue Events einfallen. So hat man sicherheitshalber einen ICE in einem Tunnel gestoppt, damit es nicht wieder zu einer Kollision mit einer entlaufenen Kuh kommen konnte, die dort das Laub von den Schienen fraß. Bahnchef Grube räumte auf Befragen ein, der ICE habe aus Versehen und wegen der Dunkelheit eine seiner Türen verloren und sich dann wegen der Kälte im Tunnel untergestellt. Bei der Gelegenheit habe der Zugführer einige dreizehn- bis fünfzehnjährige Schulmädchen ohne gültigen Fahrausweis im Tunnel an die frische Luft gesetzt, es seien aber die Überlebenden jener Schafherde, die vor einiger Zeit im Tunnel von einer Rangierlok so arg dezimiert wurde, über die Notrutsche zugestiegen. Der allen Fahrgästen bekannte mobile Brezelverkäufer aus Kassel wies dann darauf hin, dass der ICE, der morgens in den Tunnel hineinfuhr, keinesfalls derselbe gewesen sei, der am späten Nachmittag wieder herauskam. Jetzt prüft die Bahnpolizei, ob der Tunnel überhaupt an beiden Enden offen war oder ob es sich um Bahnchef Grubes Garage handelte.
    Bahnchef Grube erklärte dazu, die Bahn sei auch in Zukunft gegenüber jeder Panne aufgeschlossen. Aber die Bahn habe heute, im Gegensatz zu früher, nicht mehr nur die vier unerbittlichen Gegner Frühling, Sommer, Herbst und Winter, sondern es sei ein ganz übler Feind hinzugekommen: die Kundschaft. Und um diesen bösen Feind auszumanövrieren und hinters Licht zu führen, werde sich die Bahn verschärft darum bemühen, in Zukunft ihren Fahrplan trotz der Tunnel einzuhalten. Verkehrsminister Ramsauer hat das so akzeptiert.
    Größere Problem lauern auf ihn in Stuttgart. Dort geht es darum, den Hauptbahnhof von einem Kopfbahnhof in einen Durchgangsbahnhof umzuwandeln. Dafür muss der Bahnhof tiefer, wenn nicht gar unterirdisch gelegt werden. Die Befürworter behaupten, das biete Vorteile: Züge könnten rasend schnell an Stuttgart vorbeifahren, und je tiefer man den Bahnhof lege, desto weniger müssten Reisende von Stuttgart sehen. Und der größte Vorteil sei: Von Stuttgart aus ist man dann elf Minuten früher in Ulm. Elf Minuten in Ulm? Die können einem lang werden.
    Gegner warnen davor, den Bahnhof unter die Erdoberfläche zu verlegen. Das berge die Gefahr, dass man irgendwann bestimmt eine Bohrung durchführen müsse, um verschüttete Reisende mit einer Kapsel aus der Tiefe ans Tageslicht zu holen. Deswegen wäre es besser, den Bahnhof so zu lassen, wie er ist, und stattdessen ganz Stuttgart mitsamt dem Flughafen unter die Erde zu verlegen.
    Der Streit eskalierte, der Stuttgarter Hofgarten wurde zum Schlachtfeld umgestaltet: Auf einer Schülerdemo zerschlugen Polizisten Schädeldecken und Nasenbeine – die Landesregierung rückte ihren Landeskindern mit Reizgas zu Leibe und schoss auf kurze Distanz mit Wasserwerfern in die Augen alter Männer und Frauen. Schlecht bezahlte Staatshooligans setzten den Willen einer wirtschaftshörigen Obrigkeit gegen die Bürger durch. Von auch nur einem einzigen Polizisten, der sich geweigert hätte, mit dem Knüppel gegen Rentnerinnen und Schülerinnen vorzugehen, hat man auch in Stuttgart nichts gehört. Und so feierte die Bereitschaftspolizei einen historischen Sieg über die elfte Klasse des Stuttgarter Kräherwald-Gymnasiums und hat sich damit für einen Einsatz in orientalischen Diktaturen qualifiziert.
    Oder auch in Berlin: Dort standen 2 500 Polizisten schon mal 25 Hausbesetzern gegenüber, ohne dass die die öffentliche Ordnung gefährdeten. In Berlin kann die Polizei wirklich jede

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