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Lallbacken

Lallbacken

Titel: Lallbacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Venske
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Würstchen: »Was heißt, die Alternative. Die Alternative der Vergangenheit war Nichtstun.« Da gab Walde auf. Mit einem Würstchen ist ein Dialog – auch auf Augenhöhe – unergiebig. Und wenn Herr Röttgen ein Würstchen wäre, müsste man sagen: ungenießbar.
    Kaum im Amt, wurde Norbert Röttgen mit dem Satz konfrontiert: »Offenbar fließt noch mehr Öl ins Meer, als bisher angenommen.« Wochenlang, jeden Tag mehrmals, konnte man diesen Satz in den Medien hören und lesen: »Offenbar fließt noch mehr Öl ins Meer, als bisher angenommen.« Es floss aus der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko. Angesichts der größten Ölkatastrophe aller Zeiten konnte der deutsche Umweltminister gleich mal versuchen zu begreifen, was ungefähr gemeint ist, wenn Energiemanager von »technisch jederzeit beherrschbaren Risiken« sprechen.
    BP verschmutzt das Meer durch Millionen Liter Öl und erhöht den Benzinpreis.
    Am Ostseestrand ein Mal ins Freie pinkeln kostet hundert Euro Strafe.
    Auf dem Weltsterbehilfegipfel in Kopenhagen ist Norbert Röttgen, der so unscheinbar ist, dass seine Geburt vermutlich nicht mal von seiner Mutter registriert wurde, sensationell aus sich herausgegangen und hat mächtig Druck auf China und die USA gemacht. »Diese beiden Länder tragen eine besondere Verantwortung für den Klimaschutz«, sagte er. Und: »Auf der Konferenz sollte man Spielräume nutzen, um Bewegung zu erzielen.« Da sind die richtig zusammengezuckt, das war schon die brutalst mögliche deutsche Umwelthärte, die Amerikaner und Chinesen da von Röttgen zu spüren bekamen …
    Hart und durchsetzungsfähig ging der Mann seinen Weg. Nach der Bundestagswahl 2009 beschlossen die Regierungsparteien CDUCSUFDP, was sie beim Atomausstieg zehn Jahre zuvor angekündigt hatten: die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke. Bei den Gesprächen der Bundesregierung mit den Stromkonzernen saß Gerald Hennenhöfer mit am Tisch, ein bemerkenswerter Typ: Schon unter Umweltministerin Merkel war Hennenhöfer für die Reaktorsicherheit zuständig gewesen, bevor er die Seiten wechselte und für den Stromkonzern Viag an den Verhandlungen über den Atomausstieg beteiligt war. Umweltminister Röttgen hatte ihn reaktiviert und zum Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit bestellt. Einen Atomlobbyisten, der bewusst und skrupellos alle Risiken ausblendet, an die Spitze der Atomaufsicht zu setzen, war ein Affront gegen alle, die auf eine seriöse Politik des Umweltministers gehofft hatten. Nun durfte sich die Atomindustrie also selbst kontrollieren.
    Und logisch: Dieser Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit hielt alle genehmigten Atomreaktoren in Deutschland für sicher genug, egal wie alt sie waren. Gerald Hennenhöfer ist eben ein Mann, der so seine eigenen Vorstellungen von nuklearer Sicherheit hat. In einem Rechtsgutachten stellte Lallbacke Hennenhöfer fest: »Maßgeblich sind vom Betreiber darzulegende betriebswirtschaftliche Gründe. Sicherheitsfragen sind hingegen nicht maßgeblich!« Ein Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit, für den Sicherheitsfragen nicht maßgeblich sind, war also maßgeblich an der Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke beteiligt. Und Merkel & Co fanden das in Ordnung.
    Dann ereignete sich in Japan das Erdbeben, das den Tsunami auslöste, der drei Kernkraftwerke vom Netz nahm, deren Kernschmelze die Natur in unvorstellbarem Ausmaß schädigten.
    Fest steht, die deutsche Regierung hatte niemals eine Laufzeitverlängerung für japanische AKWs durchgesetzt, aber der deutsche Umweltminister war dennoch etwas irritiert: »Die Indizien … lassen uns zu der Annahme neigen, dass der Prozess der Kernschmelze im Gange ist.« Röttgen redete von »uns«. Vermutlich wollte er so die Verantwortung von sich auf eine Gruppe schieben. Röttgen »neigt zu der Annahme«, dass da etwas »im Gange ist«. Lallbacke Röttgen hatte offenkundig Angst. Nicht um die Japaner. Um sich und seine Politik. Und so wandte sich Röttgen vor dem Hintergrund der »aktuellen Notlage« gegen »politische Diskussionen« über die Sicherheit und Laufzeit von Kernkraftwerken in Deutschland und sagte: »Ich halte das für völlig deplatziert.«
    Wenn es nicht so zynisch wäre, müsste man sagen: Schon um diesem Minister und seinen Leuten eins auszuwischen, kam die Atomkatastrophe von Fukushima in Japan gerade recht.
    Die Forderung der Bevölkerung nach Abschaltung der deutschen Atomkraftwerke wurde innerhalb von Tagen immer dringlicher.

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