Lamarchos
Scheide, dann schob sie das Messer in die Scheide zurück. Nachdem sie die Seilenden in einem sauberen, ordentlichen Knoten zusammengebunden hatte, streifte sie die Schlinge über Kopf und eine Schulter, so daß das Messer an ihrer Hüfte hing. Bevor sie den Wohnwagen verließ, klopfte sie gegen die Schläfe, lächelte beim Klang des Klimperns. „Sei bereit, Begleiter. Wenn es losgeht, werden wir schnell sein müssen.“ Ein zweites Klimpern antwortete ihr und ließ sie lachend durch den Hinterausgang hinausgehen.
Sie blickte umher. Ein paar schlafende Gestalten waren rings um den Wohnwagen niedergeplumpst; sehr wenige im Osten. Bevor sie sich auf den Weg zum Wohnwagen des Meisters machte, starrte sie zu dem welligen Anstieg des Landes hinüber. „Bis bald, Miks. Bis bald.“
Der angepflockte Rotgraue stampfte ungeduldig. Aleytys starrte ihn widerwillig an. „Knochenschüttler, alter Freund.“ Sie seufzte, zog die Zügel los und schwang sich auf den Pferderücken. Sie setzte sich im Sattel zurecht, zog das Tier herum und hielt es in langsamem Schritt, als sie sich dem Wall um den Wagen des Meisters näherte. Behutsam suchte sich das große Pferd seinen Weg an den achtlos niedergefallenen Gestalten vorbei, die in einem so tiefen Schlaf versunken dalagen, daß er schon an ein Koma grenzte. Sie mußten einen weiten Umweg machen, um die Stellen zu meiden, wo die Schläfer so dicht gedrängt lagen, daß sich das Pferd geweigert hätte weiterzugehen.
Als sie den Wagen erreichten, glitt sie von seinem Rücken und band die Zügel mit einem leichten Knoten an einem Ring fest, der zwischen mehreren anderen Ringen an der Rückseite des Wagens angebracht war. „In Ordnung, Begleiter“, murmelte sie. „Jetzt ist es Zeit, deine kleine List auszuspielen.“
Das Diadem läutete. Die Töne rieselten die Tonleiter hinunter, wurden zu dumpfem Baßgrollen; gleichzeitig spürte sie, wie sich die Präsenz in ihrem Körper ausbreitete. Sie schwang sich auf den Wagen, schob sich unbesorgt durch den Kreis der Wächter, stieß sie um … menschliche Kegel, die in Zeitlupe fielen. Ihr Körper stürzte ins Zelt hinein.
Der Meister saß da, den Kopf auf die Hände, die Ellenbogen auf die Knie gestützt; der Jüngling saß in genau derselben Haltung vor ihm. Der Schamane stand über den Jungen gebeugt, starrte angespannt in dessen Gesicht.
Verengt, nachdenklich glitzerten schwarze Augen in Aleytys Geist. Ihr schien es, als lächelten sie ihr kurz zu … Irgendwie … Dann wandten sich die Blicke ab, erfaßten die Lage, schätzten ab, was getan werden mußte. Dann sprang ihr Körper vor.
Das Messer war in ihrer Hand. Die freie Hand packte eine Handvoll nachgiebiger weißer Locken, riß den Kopf des Anführers hoch. Einmal, zweimal fuhr das Messer durch den Hals. Dann ein drittes Mal. Dann bei dem Jungen. Seine Kehle war dünner. Viel dünner. Ihre Hand legte den Kopf auf den Boden zwischen dünne Beine. Schließlich den Schamanen. Er begann umzufallen, als ihre Hand seinen Kopf hochriß. Das Messer hieb zweimal zu, der Körper fiel, vom Kopf abgetrennt. Ihre Hand lockerte den Griff an dem Schädel, dann wirbelte ihr Körper herum, rannte aus dem Zelt, durch die noch immer fallenden Wächter, trampelte, ohne einen Unterschied zu machen, über Fleisch und Holz. Ihr Körper sprang aus dem Wagen auf das Pferd, zerrte die Zügel los und jagte den Rotgrauen durch das Schläfermeer zurück.
Aleytys spürte ein Zerren hinter ihren Augen, das immer stärker wurde. Der Atem schluchzte in lautem Keuchen durch ihren Körper, sie trat die Fersen in die Flanken des Rotschimmels, trieb ihn über die kalten Leiber, rutschend, gleitend, bemüht, ihn aufrecht zu halten; Hals über Kopf stürmte er zum Wohnwagen zurück.
Ein leises Stöhnen flüsterte durch ihr Gehirn. Das tiefe Rumpeln stieg auf, die Enge verging. Sie schüttelte den Kopf, um die Reste von Besessenheit aus dem Geist zu schleudern. Rings um sie her kamen die Hordenkreaturen stolpernd auf die Füße; in ihren Augen war benommene Unsicherheit. Unzusammenhängend murmelnd, machten sie ein paar Schritte in die eine Richtung, dann wandten sie sich in eine andere, stießen gegeneinander, blieben stehen, als sie körperlichen Kontakt fühlten, dann zuckten sie in einem frenetischen Ausbruch von Bewegung wieder weg.
Aleytys zwang das Pferd den halben Kilometer, der zwischen dem Wagen des Meisters und dem ihren lag, durch ihre Reihen. Tastende Hände griffen nach ihren Beinen, entfernten
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