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Lamarchos

Lamarchos

Titel: Lamarchos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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freien Hand unbehaglich über die nackten Schultern. Zum erstenmal ritt sie allein über diese fremde Welt. Die Fremdartigkeit traf sie plötzlich wie ein Schlag in den Magen.
    Das Land drehte sich um sie, manche Teile sprangen ihr in übertriebener Klarheit entgegen, andere verschwammen. Ihr Magen klumpte sich zusammen, hob und senkte sich, bis sie den Inhalt am Wegesrand entleerte.
    Der Rotschimmel, der das Fehlen einer starken Hand spürte, schüttelte heftig den Kopf hin und her und riß die Zügel aus ihren unachtsamen, unsicheren Fingern. Das Zusammenziehen seiner Muskeln riß sie aus ihrem Schock. Sie schnappte nach seinem Geist, versteifte ihn zu einer starren Statue. Heftig atmend, beugte sie sich nach vorn und fing die Zügel wieder ein, schwankte, als diese Bewegung die Benommenheit zurückbrachte. Der Hengst verfiel in einen anstrengenden Gang; Aleytys spritzte sich Wasser ins Gesicht, behielt die Umgebung im Auge, den Mund zu einem festen Strich zusammengepreßt, während sie sich zwang, die Andersartigkeit dieser Gegend einzugestehen und zu akzeptieren.
    Über ihr wehten flüchtige Blau-Flecken durch die sich spiralförmig bewegenden Streifen pastellfarbener Bakterien, die über die Himmelskuppel schwärmten und sogar das Antlitz der Sonne verdeckten … Die Sonne. Eine einzelne Sonne, orange, in der Farbe von Hullu-Obst. Eine einzelne Sonne, klein, mildes Licht. Ihre Heimatsonne Hesh hatte blau geglitzert, mit dem schneidenden Licht einer Stahlklinge. Und Heshs Schwester-Braut Horli. Horlis gewaltige, rote Masse bedeckte ein Viertel des Himmels. Hier war der Horizont näher, überraschte sie immer wieder, sooft sie vergaß, wo sie war, abgelenkt von den Ereignissen und ihren Gefährten. Die Pferde hier machten es doppelt schwer zu begreifen, daß sie auf einer anderen Welt war. Pferd. Eines der Tiere, das dem Menschen zu den Sternen gefolgt war. Wenn sie über die sich auf und ab bewegenden Köpfe des Gespanns hinweggeschaut hatte, hätte sie meinen können, daheim, auf Jaydugar zu sein, nicht auf einer anderen Welt, Madar mochte wissen, wie weit von zu Hause entfernt. Bis sie aufschaute und den Himmel sah.
    Es traf sie jetzt, weil sie jetzt allein ritt, weil es ihren Ritt unter Hesh und Horli wiederholte, Zwillingssonnen, die jedem die Haut ablösten, der dumm genug war, unbedeckt zu reiten. Dieses in ihren Verstand, in die unbewußte Ökologie der Gewohnheit eingebrannte Wissen erwachte zu plötzlichem Leben, als sie allein unter dieser milderen Sonne dahinritt, hielt sie ständig in Unruhe. Sie rieb sich die wunden Brüste und erinnerte sich immer wieder daran, daß diese Sonne nicht Hesh war.
    Ungeduldig gab sie dem Rotgrauen die Zügel frei und ließ ihn schneller laufen. Sein Maul war wie aus Leder, und er zeigte eine hartnäckige Abneigung gegen jedes Beherrschtwerden, so daß er Niederlage um Niederlage erlebte. Loahns Worten zufolge war er das schnellste Tier seines Pferdegestüts, mit einer phänomenalen Ausdauer, aber Aleytys hatte noch immer keine Gangart gefunden, die für sie, die Reiterin, bequem gewesen wäre. Leise stöhnend verlagerte sie ihr Gewicht im Sattel und dachte bedauernd an ihren schwarzen Hengst, den sie zurückgelassen hatte, als sie ihre Heimatwelt verlassen hatte. Sie beugte sich vor und streichelte über den muskulösen Hals, dessen rötliches Fell mild von blaugrauem Flaum durchzogen war, der ihn zum Rotschimmel machte. „Es wird eine Erleichterung sein, gefangengenommen zu werden, Knochenschüttler.” Sie richtete sich auf. „Verdammt, Pferd. Wenn man einem raubenden Entführer begegnen will, dann ist keiner in der Nähe.”
    Der Rotgraue zerrte weiterhin am Beißholz, bis ihre Arme bei jeder seiner Bewegungen protestierten. Nach einigen weiteren Minuten seines rüttelnden Trotts seufzte sie müde, fluchte, spie das Blut von der schlimm zerbissenen Zunge aus und wickelte die Zügel um die Fäuste, um ihn wieder in einen unregelmäßigen Trab zurückfallen zu lassen.
    Die gefurchte, staubige Straße glitt unter den großen, eisenbeschlagenen Hufen dahin, der Leuchtfleck der Sonne schwebte hinter ihr über den Himmel herunter, die ausgefransten Schatten vor ihr wurden proportional hierzu länger. Aleytys tastete in den Geist des Rotschimmels und hielt ihn im Trab. Einen Seufzer der Erleichterung herauslassend, wickelte sie die Zügel um das Sattelhorn und streckte schmerzende Finger; beim Anblick der tiefen, roten Druckstellen, die die Zügel hinterlassen hatten,

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