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Lamento

Titel: Lamento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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nicht.«
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hatte schreckliche Angst, dass er hier auf dem Küchenfußboden sterben könnte. Falls er überhaupt sterben
konnte
. Nachdem ich diesen Dolch in seiner Brust gesehen hatte, war ich mir da nicht sicher. Aber ich wusste, dass er Schmerz empfinden konnte, und mitanzusehen, wie er sich auf dem Boden wand und krümmte, war schwerer zu ertragen als mein eigener körperlicher Schmerz.
    Ich legte mich zu ihm auf die kalten Fliesen, schmiegte mich an ihn, schlang die Arme um seinen zitternden Körper und drückte das Gesicht an seinen Nacken. So lagen wir zusammen. Er fühlte sich immer heißer an, und ich drückte ihn immer fester an mich. Ich wartete, bis er zu zittern aufhörte und endlich keuchend, aber ruhiger dalag. Die ganze Zeit über war mir bewusst, dass ich ihm die Schmerzen hätte nehmen können. Ich glaube, das war die schwerste Entscheidung, die ich je hatte treffen müssen.
    Luke öffnete die Augen, schmiegte eine Hand an meine Wange und sagte so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte: »Danke.«
    Vielleicht hatte er es auch gar nicht laut ausgesprochen.

Fünfzehn
     
     
     
     
     
    Ich wollte nicht zu dieser Party. Schon angesichts von Grannas Zustand war mir das so sinnlos erschienen. Doch nachdem ich mitangesehen hatte, wie Luke in unserer Küche gefoltert wurde, fand ich es geradezu grotesk. Ich hatte das entsetzliche Gefühl, dass Zeit kostbar war und ich sie nicht darauf verschwenden sollte, einen Haufen reicher Anwälte zu unterhalten.
    »Das Leben muss weitergehen«, sagte Luke, als ich erklärte, dass ich absagen würde. »Du kannst nicht einfach stehen bleiben. Was könntest du schon tun?«
    Diese Zeit mit dir verbringen. Mit dir auf meinem Bett liegen und mir deinen Geruch und den Klang deiner Stimme so fest einprägen, dass niemand sie mir je wieder wegnehmen kann.
    »Dee.« Er strich mit der Hand über meinen Arm und verschränkte die Finger mit meinen. »Du musst weitermachen, als wäre nichts geschehen. Wenn nicht, werden
sie
kommen und meinen Auftrag selbst ausführen.«
    Also luden wir die Harfe ins Auto und machten uns auf den Weg zu den Warshaws. Wie Luke versprochen hatte, war der Himmel klar und frisch, und die letzten Gewitterwolken verschwanden schon hinter den Bäumen. Während Luke am Steuer seinen eigenen Gedanken nachhing, saß ich zusammengesunken auf dem Beifahrersitz und tippte eine SMS in Romanlänge an James – ich vertraute ihm alles an, so wie wir es immer taten. Solange wir Freunde waren, hatten wir einander auf diese Weise Gedanken offenbart, die wir für zu peinlich oder zu ernst hielten, um von Angesicht zu Angesicht darüber zu reden.
    Ich erinnerte mich an eine SMS von James über Schutz-engel, darüber, ob jeder Mensch einen habe oder nicht; und eine weitere darüber, ob ich Introversion für eine psychische Erkrankung hielte. Ich hatte ihm einmal eine lange Nachricht darüber geschickt, dass ich glaubte, ich würde ewig eine Außenseiterin bleiben, und später eine über Musik als möglichen Weg der Zeitreise – sie war so lang gewesen, dass ich eine Stunde gebraucht hatte, um sie auf der lästigen kleinen Handy-Tastatur zu tippen. Die SMS, die ich jetzt schrieb, war etwas kürzer.
James, war nicht v anfang an ehrlich zu dir, aber ich hatte angst, deine gefühle zu verletzen o unsere freundschaft zu ruinieren. Habe viel zeit m luke verbracht u glaube, ich habe m in ihn verliebt. Ich weiß, das ist verrückt u zu schnell, aber ich kann nicht anders. Irgendwie ist er in diese feensache verwickelt, aber ich weiß noch nicht wie. Ich habe seine gedanken gelesen, ist wohl eine neue spinnerei von mir, u erfahren, dass er viele leute ermordet hat. Ich weiß, das klingt verrückt, aber ich glaube, er wurde dazu gezwungen. Er soll auch michtöten, aber er will nicht, u jetzt habe ich angst, dass die, die dahinterstecken, ihm etwas antun werden. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Vielleicht ist es m schicksal, ihn zu retten. Bitte sei n böse auf mich, brauche deine hilfe.
    Ich seufzte, löschte die Nachricht, ohne sie zu senden, und klappte das Telefon zu. Ich wandte mich zu Luke um. »Woran denkst du?«
    »Ich überlege, ob meine Lebensgeschichte als Tragödie oder als Fantasy-Epos niedergeschrieben werden sollte.« Er hatte sich offenbar mühsam aus seinen Gedanken gerissen und lieferte mir eine stark entschärfte Version davon.
    Ich lachte. »Und ob sie deine Rolle mit einem süßen Schauspieler besetzen oder

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