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Lamento

Titel: Lamento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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verschwunden war und ich sie das letzte Mal hatte weinen sehen. Aber das war nicht mein Kummer. Ich schaute nur zu, und für mich war diese Schwangerschaft ohnehin immer ein bisschen unwirklich gewesen. »Nein. Warum willst du das wissen?«
    Lukes Blick schweifte über die Bäume hinter dem Pavillon – drei zierliche Weißdornbäumchen ein paar Schritte von uns entfernt. »Ehe ich entscheide, dass ich jemanden nicht mag, versuche ich einen Grund dafür zu finden, dass derjenige so ist, wie er ist.«
    »Redest du von
mir?
«
    Er warf mir einen Blick zu. »Nein, von deiner Mom, Dummerchen.«
    Einerseits wollte ich sie verteidigen, doch andererseits war ich erleichtert, dass ein objektiver Dritter es sich auch schwierig vorstellte, mit ihr zusammenzuleben. »Sie ist schon in Ordnung.«
    Luke runzelte die Stirn. »Dank deiner Erinnerungen hatte ich reichlich Zeit, euch beide zu beobachten. Ich glaube, sie ist schon eine ganze Weile nicht mehr in Ordnung. Von Delia will ich gar nicht erst anfangen.« Er schüttelte den Kopf. »Wir werden deine Familie beschützen müssen. Wenn ich nicht bereit bin, Hand an dich zu legen, werden
sie
versuchen, dich zu treffen, wo immer sie können.«
    Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich Mom dazu überreden sollte, Eisenschmuck zu tragen. Oder mit Dad ein intelligentes Gespräch über Feen führen. Und Delia – die konnte für sich selbst sorgen. Vielleicht sollte ich sie als Köder benutzen, zur Ablenkung.
    Luke sah meinen Gesichtsausdruck und lachte. »Ich denke, wir sollten herausfinden, woran deine Großmutter gearbeitet hat, als
sie
sie erwischt haben.«
    Bei der Vorstellung, wie Granna in diesem Bett lag, während wir hier scherzten, wurde ich sofort ernst. »Können die Ärzte ihr denn helfen? Weißt
du
, wie man ihr helfen könnte?«
    Luke zuckte kopfschüttelnd mit den Schultern. »Ich fürchte, von so etwas verstehe ich nichts. Manche von
ihnen
wissen vielleicht mehr darüber, aber ich kann
sie
nicht mal eben anrufen und fragen. Selbst wenn ich das könnte, bin ich nicht sicher, ob ich es tun würde. Sogar den nettesten unter
ihnen
kann man nicht unbedingt trauen.«
    »Sie sind also nicht alle wie Eleanor und Sommersprosse?«
    »Sommersprosse?«
    »Der Typ vom Empfang. Der später in der Eisdiele aufgetaucht ist.«
    Luke runzelte nachdenklich die Stirn. »Aodhan. So heißt er.« Seine Augen wurden noch schmaler. »Er war in der Eisdiele?«
    »James hat ihm mit einer Kaminschaufel eins übergebraten.« Das erinnerte mich an etwas anderes, was ich ihm sagen wollte. »Ich glaube, James ist eifersüchtig auf dich.«
    Luke verdrehte die Augen. »Meinst du?« Er hob die Flöte an die Lippen, als wollte er spielen, ließ sie aber wieder sinken. »Er kennt dich seit Jahren, Dee. James hatte jede Menge Gelegenheiten, aber er hat es vermasselt.«
    Ich hob eine Braue. »Du machst dir deswegen also keine Gedanken?«
    Luke schüttelte den Kopf, blies ein »A« und zog den Slide ein Stück hervor, um den Ton anzupassen. »Nein. Ich liebe dich mehr als er.«
    Ich seufzte. Am liebsten hätte ich diesen Augenblick in hübsches Papier gewickelt und ihn mir jedes Mal selbst zum Geschenk gemacht, wenn ich mich mies fühlte.
    Luke warf einen Blick auf das stille Haus. »Wir sind wirklich zu früh dran. Wollen wir ein bisschen spielen, zum Aufwärmen?«
    Ich wollte ihn noch einmal sagen hören, dass er mich liebte, aber mit ihm zusammen zu spielen war auch annehmbar. Ich lehnte die Harfe gegen meine Schulter, wo das glatte Holz sich perfekt anschmiegte. Es fühlte sich an, als hätte ich schon viel zu lange nicht mehr gespielt. »Klar.«
    Luke schien ähnlich zu empfinden, denn er strich mit den Fingern über seine Flöte. »Ist eine Weile her. Was möchtest du spielen?«
    Ich ratterte eine Liste beliebter Volkslieder herunter, von denen ich annahm, dass er sie kannte. Er nickte zu allen außer einem. Ich begann mit einem lebhaften Tanz, in den Luke ohne zu zögern einfiel. Es fühlte sich an, als wären wir zwei Puzzleteile: Der helle, hauchige Ton der Flöte füllte alles aus, was der Harfe fehlte, während die rhythmischen Arpeggien meiner tiefen Saiten unter der Melodie der Flöte pulsierten und dem Stück eine Kraft verliehen, die mich alles andere vergessen ließ.
    Am Ende des Stücks dämpfte ich die Saiten mit den Händen. Lukes Aufmerksamkeit wandte sich sofort wieder den Weißdornbäumen zu.
    Ich stieß ihn an, um seinen Blick auf mich zu ziehen. »Okay, das reicht jetzt. Was starrst du

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