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Lamento

Titel: Lamento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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der nicht töten wollte, ihr als Meuchler zu dienen, denn es gefiel ihr, ihn leiden zu sehen. Morden sollte er, sonst würde sie seine gefangene Seele den Dienern der Hölle überlassen. Also mordete er. Alle Feen der Schöpfung kennen seine Legende – wie sie ihn benutzte, die Schranken des Eisens zu überwinden, wie ihre Feinde unter seiner Klinge fielen.«
    Luke wandte mit schmerzerfüllter Miene den Kopf ab.
    Brendan, der das Erzählen sichtlich genoss, fuhr fort: »Er flehte sie an, ihn freizugeben, doch unsere böse Königin kennt nicht Gnade noch Vergebung. Seine Zurückweisung stand ihr so lebhaft vor Augen wie an dem Tag, da sie geschah, und sie verwehrte ihm seine Bitte. Also mordete er für sie. Er war der Bluthund der Königin. Er jagte, wie noch keine Fee gejagt hatte – unsterblich, doch auch nie lebendig, bis das Morden ihn zerstörte und er die Klinge gegen sich selbst richtete. Doch ließe die Zauberin ihr Spielzeug sterben, und obendrein einen selbstgewählten Tod?«
    »Niemals!«, rief Una. Luke schloss die Augen.
    Brendan warf ihr einen scharfen Blick zu. »Es wird geflüstert, dass die Königin ihre einzige Tochter für ein finsteres Ritual benutzte, um ihren liebsten Meuchler wiederauferstehen zu lassen. Wie auch immer es ihr gelungen sein mag, er ist nicht gestorben. Und er hat immer weiter für sie gemordet, während seine Seele in einem fernen Käfig schmachtete. Bis sie ihn aufein Mädchen hetzte, das der Königin Namen trug – doch
diese
Deirdre liebte er, und Luke Dillon tötete sie nicht.«
    Brendan verstummte.
    »Noch nicht«, fügte Una hinzu, wobei ihr Blick zu Lukes Hosenbein wanderte, als könnte sie den Dolch unter dem Stoff erkennen.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Gerne hätte ich Lukes Hand genommen, aber er stand ein Stück von mir entfernt, hatte die Arme um den Oberkörper geschlungen und starrte auf den Punkt, wo die Sonne hinter den Bäumen versank. »Du riskierst meinetwegen, dass du in die Hölle kommst?«
    »Da gibt es nichts zu ›riskieren‹«, entgegnete Brendan an seiner Stelle. »Die Königin wird diesen Verrat niemals verzeihen.«
    Lukes Stimme klang tonlos. »Das ist mir egal.«
    Una seufzte. »Ist er nicht edel?«
    Brendan trat einen Schritt unter dem Weißdorn hervor, gerade so weit, dass sein Gesicht sich wieder im Licht befand. »Das ist dir nur egal, weil du die Hölle nicht kennst. Ich habe …«
    Luke wandte sich ihm zu. »Erzähl mir nichts«, knurrte er. »Ich
lebe
seit tausend Jahren in der Hölle. Tausend Jahre lang habe ich mir gewünscht, ich wäre nie geboren worden.« Er zeigte mit dem Finger auf mich. »
Sie
ist das Einzige, was mein Leben lebenswert gemacht hat, und wenn ich nur so viel bekomme, dann sind ein paar Monate mit ihr, ein paar
Tage,
mehr, als ich mir je erhofft hatte. Glaubst du wirklich, Gott würde mir das Blut an meinen Händen verzeihen, selbst wenn meine Seele frei wäre? Ich komme in die Hölle, ganz egal wie. Lasst mir doch meine jämmerliche, hoffnungslose Liebe, solange es geht. Lasst mich … einfach so tun, als würde alles gut enden.«
    Ich schlug die Hände vors Gesicht, um meine Tränen zu verbergen.
    Una stand vor dem Pavillon und beobachtete interessiert, wie die Tränen durch meine Finger rannen. »Darf ich eine haben?«
    Ich biss mir auf die Lippe und sah sie an. »Was gibst du mir dafür?«, stieß ich mühsam hervor.
    »Eine Gefälligkeit«, antwortete Una, ohne zu zögern. »Davon wirst du so viele brauchen, wie du nur bekommen kannst.«
    Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht und streckte den Arm aus. Eine Träne tropfte von meiner Fingerspitze, und Una, nur Zentimeter entfernt, fing sie in der Handfläche auf. Dann flitzte sie, lächelnd wie immer, zurück zu den Weißdornen. Ich wandte mich Luke zu, der mich mit leerem Gesichtsausdruck beobachtete.
    »Küss mich«, sagte ich, doch er rührte sich nicht. »Bitte«, fügte ich flehend hinzu.
    Er trat näher, drückte mich an sich und barg das Gesicht an meinem Hals. Ich hielt ihn fest, und eine Weile standen wir reglos da. Dann hob er das Gesicht und küsste mich zärtlich auf den Mund. Ich schmeckte Blut von vorhin, als er sich auf die Lippe gebissen hatte.
    »Deirdre?«
    Der Klang einer Stimme ließ uns auseinanderfahren, und ich blinzelte im Zwielicht. Brendan und Una waren nirgends mehr zu sehen. Und die Gestalt, die sich nun vor uns aufbaute, war doppelt so groß wie die beiden Feen.
    »Mrs. Warshaw?«
    »Ja! Was tust du denn hier?« Sie starrte

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