Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lamento

Titel: Lamento Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
Vom Netzwerk:
infizieren konnten. Trotzdem hörte ich so etwas wie Zuneigung oder Achtung in seiner Stimme. »Ihr seid beide Narren.«
    Ich löste mich aus Lukes Umarmung. »Sagt mir, warum. Bitte, würdet ihr mir etwas über Luke erzählen, da er selbst es nicht kann?« Ich spürte drei überraschte Augenpaare auf mir, ließ mich aber nicht beirren. »Ich will wissen, wer ihn kontrolliert und was ihn daran hindert, zu tun, was er will. Ihr müsst das doch wissen.« Dann fiel mir ein, dass Feen Höflichkeit schätzten, also fügte ich hinzu: »Bitte.«
    Una sah Brendan mit ihrem ewigen Lächeln an. »Ach, Brendan, sei so gut.« Sie sprach
Brendan
mit einem Anflug vonSarkasmus aus, allem Anschein nach ihre Art, sich über die Namen lustig zu machen, die Luke ihnen gegeben hatte. »Vielleicht hätten sie ja eine Chance, wenn sie es wüsste. Und das würde mir sehr gut gefallen.«
    Brendan wandte sich ihr mit verdrossener Miene zu. »Ich habe seit vierhundert Jahren nicht mehr erlebt, dass dir etwas gefallen hätte.«
    »Dies würde mich glücklich machen. Sieh dir nur Luke Dillon an, wie er da neben ihr steht, obwohl die Königin …«
    »Halt den Mund«, sagte Brendan – eine so alltägliche Äußerung, dass ich beinahe laut aufgelacht hätte. »Verschenke es nicht einfach so.« Er beäugte mich. »Was würdest du mir dafür geben, wenn ich dir die Geschichte erzählte?«
    Una lachte, wirbelte von Brendan fort und tanzte wieder übers Gras, um uns aus der Nähe zu beäugen.
    Ich war ratlos. Ich wusste nicht, was eine Fee interessieren könnte – vermutlich wäre es ohnehin etwas, das ich nicht zu geben bereit war. Lukes Lippen streiften mein Ohr. »Ein Lied.«
    »Schwindler«, tadelte Una ihn vorwurfsvoll.
    »Halt den
Mund
.« Brendan wandte sich ihr zu, und Una lächelte strahlend in sein verärgertes Gesicht. »Hältst du denn nie den Mund?«
    Ich wandte mich an Brendan. »Ich gebe dir ein Lied dafür. Und zwar nicht irgendeines. Dieses habe ich selbst geschrieben.«
    Brendan tat so, als denke er darüber nach, aber trotz seiner Fremdartigkeit sah ich ihm an, dass er angebissen hatte. »Akzeptiert. Fang an.«
    Ich warf Luke einen Blick zu, und er nickte. Also setzte ich mich an meine Harfe. Meine Finger zitterten leicht vor Nervosität, wie ich sie sonst nicht empfand, als ich das schwierigsteStück spielte, das ich je komponiert hatte – schnell, komplex und wunderschön. Und ich spielte es perfekt, denn so musste es sein. Als es zu Ende war, erhob ich mich wieder und sah Brendan erwartungsvoll an.
    »Ich bin neidisch«, erklärte er mit einer Miene, die mir sagte, dass er es ernst meinte. Ich musste daran denken, dass Luke gesagt hatte, manche von
ihnen
würden um einer Stimme willen töten. Ich glaubte ihm.
    »Außerdem bist du großgewachsen«, sagte Una lachend, wirbelte einmal um den Pavillon herum und zurück zu ihm. »Weder das eine noch das andere wird sich so bald ändern.«
    Brendan ignorierte sie und fragte mich, den Blick jedoch immer noch auf Luke gerichtet: »Soll ich dir die ganze Geschichte erzählen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort. »Von einem begabten jungen Mann, dem einzigen Sohn eines Königs, der sich weigerte, die Feinde seines Vaters auf dem Schlachtfeld zu erschlagen? Dessen Seele umherschweifte, während er schlief? Der Musik spielte, die den Neid von Feen erregte? Der goldenes Haar hatte und ein Antlitz, das die Feenkönigin in Versuchung führte?«
    »Sehr poetisch«, knurrte Luke.
    Brendan lächelte zum ersten Mal. »Nun denn. Wie wäre es mit einem Menschenkind namens Luke Dillon, das in der Mittsommernacht hinausspazierte, obwohl es ihm verboten war, und von dem Ding geraubt wurde, das sich die Feenkönigin nennt? ›Komm zu mir‹, sprach sie zu ihm …«
    »Und küss mich!«, kreischte Una. »Liebe mich! Ich vertrockne in meinem selbsterrichteten Gefängnis!«
    »Halt den
Mund
«, herrschte Brendan sie an. »Sie verlangte von dem jungen Mann, sie zu umwerben, doch er verweigerte sich ihr wie noch keiner zuvor.« Una hob ihre Trommel vom Boden auf und ließ einen unheilverkündenden Trommelwirbelerklingen. Brendan übertönte ihn. »Um sich zu rächen, benutzte sie die Traumwanderungen seiner Seele. Sie entriss sie ihm und sperrte sie weit fort vom Körper in einem Käfig ein.«
    Vor meinem geistigen Auge sah ich die Erinnerung daran. Eine Hand hielt Luke im Nacken gepackt. Er fiel auf die Knie, und der Atem aus seinem Mund nahm die Gestalt einer Taube an.
    »Sie befahl dem Mann,

Weitere Kostenlose Bücher