LaNague 02 - Mein Vater starb auf Jebinos
gewesen. Aller Wahrscheinlichkeit nach existierte ein Komplott gegen die Föderation, das er als erster erkannt hatte. Aber das konnte nicht die Tatsache entschuldigen, daß er dort unten etwas zu vertuschen suchte.
Der Steward bedeutete ihr, daß es Zeit war, an Bord des Fährschiffs zu gehen. Sie holte tief Luft, ballte ihre Hände zu Fäusten, wandte sich vom Aussichtshafen ab und ging auf das Schiff zu.
Der Raumhafen außerhalb von Copia diente gleichzeitig als Hafen für interatmosphärischen Verkehr und war zu dieser Stunde mit Menschen vollgestopft. Trotz der Menge, die sich um sie herum drängte, fühlte sich Jo sehr einsam. Sie konnte sich noch nicht einmal auf ihren eigenen Namen stützen, da sie unter einem anderen Namen reiste und den Flug bar bezahlt hatte für den Fall, daß jemand in der Passagierliste nach einem Reisenden namens Finch oder von IBA suchte.
Als sie ausstieg, sah Jo ihren ersten Vanek, unverwechselbar in seinem sandfarbenen Gewand mit der bläulichen Haut und dem geschmückten schwarzen Haar. Er saß schweigsam und mit übereinandergeschlagenen Beinen gegen eine Säule gelehnt, die in der Mitte des breiten, von Menschen wimmelnden Hallenganges stand. Seine linke Hand steckte in seinem Umhang, und mit der rechten hielt er eine gesprungene Bettelschüssel in seinem Schoß, in der ein paar vereinzelte Geldstücke schimmerten. Die Vorübergehenden nahmen kaum von ihm Notiz, während der Vanek wiederum kaum das Treiben um ihn herum wahrzunehmen schien. Seine Augen waren offensichtlich nach innen gerichtet.
Jo blieb stehen und starrte den Bettler einen Augenblick lang an. Das also war einer dieser Fremden, die ihren Vater getötet hatten. Vielleicht hatte sogar er es getan. Obwohl er völlig ungefährlich aussah.
Sie schüttelte kurz ihren Kopf und zog die Schultern hoch – fast als fröstele sie – und ging weiter. Es gab zuviel zu tun, als daß sie ihre Zeit damit vergeuden konnte, sich die Sehenswürdigkeiten anzusehen. Ohne ihn noch einmal anzuschauen, ging sie auf Armeslänge an dem Vanek vorbei – sie hatte mit Sicherheit keinen Grund, ihm etwas in seine Schüssel zu werfen – und merkte nicht, daß sich seine Augen öffneten und seine Blicke ihr folgten, als sie davonging. Sie wollte gerade um eine Ecke biegen, als sie hinter sich ein Scheppern hörte.
Erschrocken fuhr sie herum und sah, daß der Bettler aufgesprungen war und sie wie versteinert aus weit offenen dunklen Augen anstarrte. Seine irdene Schüssel lag in Scherben auf dem Boden, ein paar Geldstücke rollten in den verschiedensten Richtungen davon. Die Passanten, die vorbeikamen, verlangsamten ihren Schritt und blieben stehen, um die Szene zu beobachten.
Dann ging der Vanek unsicher und mit zögernden Schritten auf Jo zu. Einen halben Meter vor ihr blieb er schließlich stehen.
»Du bist es!« Seine Stimme war ein heiseres, hohes Flüstern.
Er streckte den dünnen Arm aus und berührte ihre Hand. Jo wich vor der trockenen, pergamentartigen Hand zurück.
»Du bist es wirklich! Das Rad hat sich einmal gedreht!«
Abrupt wirbelte er herum und eilte davon.
Als er außer Sicht war, zuckte Jo unangenehm berührt die Achseln und ging weiter. Die Zuschauer folgten ihrem Beispiel. Bald blieben nur zwei kleine Jungen zurück, die zwischen den Scherben der zersprungenen Schüssel die vergessenen Geldstücke aufsammelten.
Jo fand eine öffentliche Videophon-Zelle und rief das Krankenhaus in Copia an. Der Zwischenfall mit dem Vanek Augenblicke zuvor wollte ihr nicht aus dem Kopf gehen. Das Ganze war irgendwie unheimlich. Er schien sie zu kennen. Hatte er vielleicht die Verwandtschaft zwischen ihr und Junior Finch entdeckt? Wieder zuckte sie die Achseln. Wer konnte schon wissen, was im Kopf so eines Vanek vorging?
Eine Frau in mittleren Jahren im traditionellen weißen Kittel erschien auf dem Bildschirm. »Copia Krankenhaus«, meldete sie sich. »Ich hätte gern gewußt, wie es dem Patienten Lawrence Easly geht«, fragte Jo sie. »Er ist vor drei Tagen als Notfall eingeliefert worden.«
»Es tut mir leid, aber in diesem Fall darf ich Ihnen keine Auskunft erteilen. Wenn Sie wünschen, kann ich Sie direkt mit dem Arzt des Patienten verbinden …«
»Man gab mir zu verstehen«, unterbrach Jo sie, »daß er vor drei Tagen noch lebte. Können Sie mir wenigstens da weiterhelfen?«
»So viel darf ich Ihnen sagen: er ist sehr widerstandsfähig, und das wäre es eigentlich auch schon«, antwortete die Frau, die Jos Besorgnis
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