LaNague 03 - Der Staatsfeind
Robin Hood zu sagen hatte; aber statt dem vertrauten Gesicht des Nachrichtensprechers war eine ihm unbekannte Frau auf dem Bildschirm erschienen, die behauptete, Robin Hoods Frau zu sein und zur Revolution aufrief. Er hatte sofort versucht, eine Verbindung mit dem Studio zu bekommen, aber über das Zentralnetz der Station kamen keine Gespräche durch. In einem Spezialregister hatte er schließlich einen Sicherheitscode gefunden, der ihn über einen Computer direkt zur Kontrollzelle in Sayers’ Studio durchschalten würde.
Ein Techniker nahm den Anruf entgegen. Er machte kein besonders erfreutes Gesicht, und obwohl er Daro Haworth sofort erkannte, schien er nicht sonderlich beeindruckt.
»Was ist denn bei Ihnen los? Ich verlange eine sofortige Unterbrechung der Ausstrahlung! Haben Sie verstanden? Die Sendung muß sofort unterbrochen werden!«
»Das kann ich nicht.«
»Brechen Sie die Sendung augenblicklich ab«, schrie Haworth außer sich vor Zorn, »oder ich verspreche Ihnen, daß dies Ihr letzter Tag in Freiheit ist!«
»Ich …« Der Techniker stellte den Aufnahmewinkel auf maximale Weite, und Haworth konnte eine Reihe schwarz gekleideter Gestalten mit roten Kreisen auf ihrer Stirn und Waffengürteln um ihre Brust erkennen. »Sehen Sie, was ich meine?«
Flinter! War Robin Hood etwa ein Flinter? »Wie sind sie hereingekommen?«
Der Techniker zuckte die Achseln. »Sie waren plötzlich da, zusammen mit dieser Frau. Ich hatte den Eindruck, daß Radmon sie erwartet hat.«
Sayers! Natürlich hatte er mit dieser Sache zu tun! »Was ist mit dem Sicherheitspersonal? Hat denn niemand versucht, sie aufzuhalten?«
Der Techniker blickte über seine Schulter und wieder zurück auf Haworth.
»Würden Sie es denn versuchen? Wir haben natürlich sofort den Alarm ausgelöst, aber bisher ist noch niemand erschienen.«
In diesem Augenblick trat einer der Flinter hinzu und unterbrach die Verbindung. Haworth überlegte nicht lange, sondern tippte den Code für Commander Tinmer ein, der sich im Imperialen Wachkomplex aufhielt. Tinmer nahm den Anruf persönlich entgegen, und sein Gesichtsausdruck war nicht gerade dazu angetan, Haworth zu ermutigen.
»Sagen Sie nichts!« begann er, als er Haworth erkannte. »Ich versuche schon die ganze Zeit, seit wir alarmiert worden sind, eine Mannschaft aufzustellen, um die Sendestation einzunehmen, aber …«
»Sie hatten Zeit genug!«
»Schon, aber es gibt hier ein paar kleine disziplinarische Probleme. Die Männer haben uns wissen lassen, daß sie nicht so recht zufrieden sind mit ihren Soldauszahlungen. Sie haben sich nämlich hin und wieder etwas verzögert, weil die Geldtransporte aufgrund der Auslieferungsprobleme im Schatzamt nicht immer rechtzeitig eingetroffen sind, und ganz offensichtlich sind die Männer der Ansicht, daß, wenn schon ihr Sold sich verspätet, auch sie sich einmal verspäten können.« Ein entschlossener Zug trat um seine Mundwinkel. »Aber keine Sorge. So ernst ist es im Grunde nicht. Sie wissen schon, das übliche Gerede … ›Ohne Sold kein Einsatz‹ … und ähnliche Parolen.«
»Und was machen die Männer im Augenblick?«
Tinmer verzog das Gesicht. »Anstatt sich wie befohlen zu den Transportgleitern zu begeben, sitzen die meisten von ihnen in ihren Unterkünften und sehen sich dieses Weibsstück im Video an. Aber seien Sie beruhigt. Wir haben alles unter Kontrolle. Es dauert nicht mehr lange, und ich -«
Haworth schlug vor Wut mit der Faust auf das Gerät, wodurch die Verbindung unterbrochen wurde. Er wußte jetzt, wie der ganze Plan aussah. Das Puzzle hatte sich zu einem Bild zusammengefügt. Aber er fühlte keinen Triumph, nur eine niederschmetternde Depression, denn es gab keinen Weg mehr, wie er das Imperium und damit seine Position noch retten konnte. Keinen, es sei denn …
Er schob den Gedanken jedoch wieder beiseite. Es war nicht seine Sache.
Haworth wurde von einer düsteren Stimmung erfaßt. Er hatte sein ganzes Leben dem Imperium gewidmet, oder besser gesagt der Ausdehnung seiner Macht. Und nun glitt ihm alles aus den Händen. Wenn der Tag zu Ende ging, würde er politisch eine Null, ein Niemand sein, und schuld daran war nur dieser Mann, der im Augenblick in einer Zelle im Top-Sicherheitssektor saß, dieser Mann, der sich Robin Hood nannte.
Es war nicht mehr wichtig, ob er tatsächlich Robin Hood war oder nicht. Das Imperium hatte ihn als Robin Hood identifiziert, und das genügte der Öffentlichkeit. Die Bevölkerung war bereit, ihm
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