LaNague 03 - Der Staatsfeind
einmal aus, um Essen für meine Kinder zu kaufen. Wenn ich nicht ein paarmal in der Woche etwas aus der Küche mitgehen ließe, würden wir verhungern. Stellen Sie sich das nur vor! Ich bekomme ein paar tausend Mark pro Stunde und nehme trotzdem ab! Und gestern haben sie uns nicht bezahlt. Wenn das noch einmal vorkommt, verlangen wir zweimal täglich Lohn, oder wir werden gehen.
Dann werden die da oben schon sehen müssen, was sie machen! Jedenfalls, ich kann Sie nicht hier herausbringen. Selbst wenn ich Ihnen meinen Blaster geben würde, würden Sie aufgehalten werden. Man würde eher zulassen, daß Sie mich töten, bevor man Sie gehen ließe.«
»Diese Art von Hilfe meine ich nicht. Ich möchte Sie nur bitten, aufzupassen, daß ich lebend zur Gerichtsverhandlung komme.«
Boucher lachte. »Niemand wird Sie töten, es sei denn, Sie werden zum Tode verurteilt!« Hastig berichtigte er sich. »Ich meine, es tut mir leid, daß ich das gesagt habe. Ich wollte nicht -«
»Ich weiß doch. Ist schon gut. Aber ich meine es wirklich ernst. Es könnte sein, daß jemand verhindern möchte, daß ich lebend den Verhandlungssaal erreiche.«
»Das ist doch -«
»Tun Sie mir bitte diesen einen Gefallen. Sagen Sie ein paar anderen Aufsehern, denen Sie vertrauen, Bescheid und passen Sie bitte genau auf. Und damit verlange ich von Ihnen ja eigentlich nicht mehr als das, wofür Sie das Imperium bezahlt: einen Gefangenen zu bewachen.«
Boucher runzelte die Stirn. »Also gut. Wenn es Sie beruhigt, werde ich schon dafür sorgen, daß Ihnen nichts geschieht.« Dann ging er davon, wobei er alle paar Schritte zurückblickte und den Kopf schüttelte, als glaubte er, der berühmte Robin Hood sei nun schließlich doch verrückt geworden.
LaNague schritt in seiner Zelle auf und ab. Adrenalinstöße wurden in seinen Körper gejagt, wodurch sich sein Pulsschlag beschleunigte und sich Schweiß unter seinen Achseln sammelte. Was war los mit ihm? Alles lief doch nach Plan. Warum dann dieses drohende Gefühl, er könne scheitern? Warum diese unbestimmte Furcht, daß etwas ganz schrecklich falsch laufen würde? Daß er sterben würde?
Er blieb stehen und atmete langsam und tief ein, wobei er sich sagte, daß alles in Ordnung war, daß seine Beklemmung nur eine Streßreaktion war, die man auf die nahe Verhandlung zurückführen konnte. Die Verhandlung würde zu einem Triumph für die Revolution werden, wenn Sayers erst das von ihm bestimmte Band abspielte und damit seine Botschaft alle Menschen von Throne erreichen würde. Dann würde LaNague wissen, ob die letzten fünf Jahre vergeudet gewesen waren. Wenn es zutraf, dann würde das Imperium schon dafür sorgen, daß er keine Gelegenheit mehr bekam, weitere Jahre zu vergeuden.
Zwölf mußten genügen, dachte Mora. Selbst wenn das Gebäude von schwer bewaffneten Soldaten nur so wimmeln sollte, waren zwölf Flinter mehr als genug. Aber wie Sayers ihr gesagt hatte, waren nur einige Angehörige des Sicherheitspersonals in den drei Etagen der Rundfunkstation anwesend, die noch dazu unbewaffnet waren. Es würde nicht schwer sein, das Gebäude zu übernehmen.
Etwas anderes bereitete ihr wesentlich mehr Sorge, und das war ihre eigene Rolle in der Eskapade, die gleich beginnen sollte. Konnte sie es schaffen? Vielleicht hätte sie Peters Bänder doch nicht vernichten sollen. Vielleicht hatte sie seinen Appell zu kritisch betrachtet. Peter hatte bisher immer recht gehabt, warum sollte es diesmal anders sein? Mora biß die Zähne zusammen und schloß die Augen. Du sollst nicht so etwas denken! Sie durfte jetzt nicht aufgeben. Sie hatte alle Brücken hinter sich abgebrochen, und der einzige Weg war der nach vorn. Peter hatte sich in diesen Bändern tatsächlich getäuscht, und sie hatte als einzige den Mut gefunden, etwas dagegen zu unternehmen.
Sie sah in die reglosen Gesichter der sechs Gestalten, die sich mit ihr in der winzigen Kabine des Gleiters drängten. Sechs weitere befanden sich in dem Gleiter hinter ihnen. Alle trugen sie ihre zeremonielle Kampfkleidung und wußten genau, daß ihr Aussehen allein schon eine höchst effektive Waffe war.
Ihr war übel, so sehr lastete die Spannung auf ihr. Sie war nicht daran gewöhnt. Wie brachten es die anderen nur fertig, so ruhig auszusehen? Aber wenn sie es sich genau überlegte, dann sah auch sie nach außen hin ruhig aus. Der Gefühlsaufruhr war fest in ihrem Innern verschlossen. Sie fragte sich, ob es in den Flintern wohl genauso aussah wie in ihr.
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