LaNague 04 - Detektiv im Cyberland
rundlichen Figur höchstens lächerlich ausgesehen hätten, aber vorwiegend wohl deshalb, weil er sich so kleidete, um zu verkünden, daß er modemäßig absolut auf dem laufenden war.
Er hieß Earl Khambot, und er sagte, er brauche Hilfe, um jemanden zu suchen.
»Das ist meine Spezialität«, erklärte ich. »Und nach wem suchen wir?«
Er zögerte, und Unsicherheit ließ die hochmodische Fassade zum erstenmal, seit er hereingekommen war, brüchig werden. Eine schreckliche Minute lang glaubte ich, daß er den Namen irgendeines Klons nennen wollte, der sich aus dem Staub gemacht hatte. Aber er überraschte mich.
»Meine Tochter«, sagte er.
»Das ist ein Auftrag für die M.A., Mr. Khambot, und die mögen es nicht, wenn unabhängige Detektive in ihren Gewässern fischen.«
»Ich … ich habe der Megalops Authority noch nichts davon erzählt.«
Da gab es wohl einen ganz dicken Haken. Ein vermißtes Kind war ein Grund für hysterische Anfälle. Schließlich war einem ja nur eins gestattet. Das war das Gesetz. Man hatte eine einzige Gelegenheit, sich fortzupflanzen, sich zu reduplizieren, und danach wurde die Lösung des Bevölkerungsproblems, der natürlichen Auslese überlassen. Diese eine Chance war für einen verdammt wertvoll. Man konnte sich keine zweite kaufen. Für nichts. Überhaupt nichts. Wenn dieses eine wertvolle Kind verschwand, dann rannte man schreiend zur Megalops Authority. Ganz sicher ging man nicht zu irgendeinem windigen selbständigen Detektiv im heruntergekommenen Verrazano-Komplex. Es sei denn …
»Wo ist der Haken, Mr. Khambot?«
Er seufzte resignierend. »Sie ist illegal.«
Aha! Das war die Erklärung. Eine Überzählige.
»Ich gehe davon aus, daß sie jetzt ein Streuner ist? Sie wollen mich anheuern, um einen Streuner zu finden? Wie lange ist es her, seit Sie sie zu einer Bande brachten?«
Er zuckte düster die Achseln. »Drei Jahre. Wir konnten nicht zulassen, daß sie sie entfernten. Sie war …«
»Sicher«, unterbrach ich ihn. »Behalten Sie es für sich.«
Ich haßte verantwortungslose Idioten. Es gibt keine Entschuldigung für ein illegales Kind. Eine ausweglose Situation. Die einzige Alternative, wenn man nicht das Risiko eingehen will, daß das Kind von der Bevölkerungskontrolle weggeholt und beseitigt wird – eine retro-aktive Abtreibung wird dieser Vorgang häufig genannt –, bestand darin, es einer der Streunerbanden zu übergeben. Und das war kein Zuckerschlecken.
Ich dachte: Du Idiot!
Meine Gedanken mußten irgendwie zu erkennen gewesen sein. Er sagte: »Ich bin nicht so dumm. Ich wurde sterilisiert. Ich vermute, dabei ist etwas schiefgelaufen. Es hat wohl nicht gewirkt.« Er las schon wieder meine Gedanken. »Und ja, das Baby war meins. Eine Überprüfung des Genotypus erbrachte den Beweis.«
»Und Sie wollten, daß Ihre Frau es austrug?«
»Sie wollte es. Und wenn sie es wollte, dann wollte ich es auch.«
Earl Khambot stieg ein oder zwei Stufen in meiner Achtung. Er hätte auf eine ganz hübsche Summe klagen können – Kunstfehler und unerwünschte Empfängnis und so weiter – und hätte wahrscheinlich ein recht lukratives Urteil bekommen. Und einen beseitigten Foetus. Daher hatte er darauf verzichtet. Seltsam, jemanden zu finden, der nicht käuflich war. Manche Leute sind wirklich schwer einzuschätzen.
»Kommen wir endlich zur Sache«, sagte ich. »Was führen Sie im Schilde?«
Sein Ausdruck verriet unschuldige Verwirrtheit. »Ich verstehe nicht.«
»Nun kommen Sie schon!« Allmählich verlor ich die Geduld. »Selbst wenn ich sie finden sollte, können Sie sie nicht zu sich nehmen! Also, was haben Sie mit ihr vor? Was wollen Sie wirklich?«
»Ich möchte mich nur vergewissern, daß es ihr gutgeht.«
Das ergab für mich nun überhaupt keinen Sinn.
»Gutgeht? Was soll das denn heißen?«
Ich begriff überhaupt nichts. Der Typ hatte sein Kind weggegeben. Die Kleine gehörte ihm nicht mehr. Sie war jetzt ein Mitglied der Streunerbanden.
»Sehen Sie sich denn die Graffiti nicht an?«
»Nur gelegentlich.«
Gewöhnlich verfolgte ich Nachrichtentyp Vier. Das war mein einziger Kontakt mit dem DataFluß. Ich wollte ihm nicht auf die Nase binden, daß ich während der letzten sechs Jahre soviel Zeit auf Knopftrip verbracht hatte, so daß ich es mir völlig abgewöhnt hatte, mir die Graffiti regelmäßig anzusehen.
»Ich war mir nie ganz sicher, inwieweit das Zeug wirklich den Tatsachen entspricht. Diese Graffiti-Journalisten scheinen ja immer gegen
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