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LaNague 04 - Detektiv im Cyberland

LaNague 04 - Detektiv im Cyberland

Titel: LaNague 04 - Detektiv im Cyberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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hatten eine wahnsinnige Angst, sie zu verlieren. In Null Komma nichts wurde ich von der ganzen Bande umringt.
    Etwas war im Busch.
    »Wolln’s, San?« fragte der Anführer im Streunerslang.
    Er schien noch keine dreizehn zu sein, doch er und seine Freunde sahen alle entschlossen und wachsam aus und schienen jederzeit kampfbereit zu sein.
    »Ich hab’ einige Fragen an euch.«
    »’ber was?«
    »Über ein Baby, das jemand vor drei Jahren hier zurückgelassen hat.«
    »Erss Sack guck’n, San. Dann red’n.«
    »Natürlich.«
    Ich öffnete den Sack und ließ sie alle die Köstlichkeiten ausgiebig begutachten. Zwei von ihnen leckten sich schon die Lippen. Die Kinder waren hungrig. Versetzte mir einen Stich in der Herzgegend. Holte eine Tüte mit Käsehappen hervor und riß sie auf.
    »Da. Laßt sie rumgehen.«
    »Iss super!« riefen sie im Chor.
    Ihre schmutzigen Hände griffen hinein, dann stopften sie sich die weichen cremigen Kugeln in die Münder. Ich bemerkte, wie die Größeren darauf achteten, daß die kleine Blonde auch an die Reihe kam. Das gefiel mir.
    Der Anführer schluckte seinen Happen hinunter und fragte: »Werssn das Babe? Aussehn wie? Ham Lucki-lucki?«
    »Nein. Kein Bild. Sie dürfte so groß sein wie sie« – Ich wies auf die kleine blonde Bettlerin – »aber mit schwarzen Haaren.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nich’ bei Lost Boys.«
    »Ihr seid die Lost Boys, nicht wahr? Nun, erinnert ihr euch vielleicht, ob ihr vor drei Jahren ein solches Baby gesehen habt?«
    »War da neun. Wissen Sie. ’leicht, ’kauft, hass ’standn, San?«
    Ich nickte. Verkauft. Verdammt! Daran hatte ich nicht gedacht. Obgleich es auf der Hand lag. Die älteren Kinder sorgten für die Babys, bis sie alt genug waren, um zu betteln. Wenn eine Streunerbande zu wenige Babys oder Bettler hatte, dann versuchten sie, sich welche zu kaufen. Wenn die Bettler älter wurden, fungierten sie als Fütterer, dann stiegen sie zu Beschützern auf, dann zu Bandenführern und dann ging es hinauf in die Unterwelt. Ein endloser Kreislauf.
    »Bringt mich zu eurem Führer«, sagte ich.
    Damit erreichte ich bei ihm nicht viel.
    »Nehm mit halb bishin. Wendy treff’n.«
    Wendy? Hatte etwa jemand den Lost Boys Geschichten vorgelesen?
    »Ich denke, das ist ein faires Angebot.«
    Sie führten mich einige Blocks weit nach Norden, dann eine Treppe hinunter in das alte U-Bahnnetz. Unvorstellbar, daß die Menschen die unterirdische Fortbewegung dem Luftverkehr vorgezogen hatten, aber diese Tunnels waren echt, daher nahm ich an, daß die alten Geschichten ebenfalls zutrafen. Die Kinder holten allesamt Taschenlampen heraus, als wir durch die weiß gekachelten Korridore wanderten. Der Anführer blieb stehen und sah mich auffordernd an, nachdem wir eine zweite Treppe hinuntergestiegen waren.
    »Hier warten, San. Wendy bald zurück. Hier warten.«
    »In Ordnung. Wie lange?«
    »’ich lange, San. Warten. Nehm Sack mit. ’eschenk. Kay, San?«
    Ich reichte ihm den Sack mit den Lebensmitteln.
    »Okay. Aber laßt mich nicht zu lange warten.«
    »Nich’ lange, San. Nich’ lange.«
    Sie überließen mir eine ihrer Lampen. Während sie in der Dunkelheit verschwanden und dabei meinen Sack mit den Speisen wie die Bundeslade in ihrer Mitte trugen, lauschte ich ihrem Gelächter und Gekicher, und mir dämmerte, daß ich wahrscheinlich wie ein Idiot aufs Kreuz gelegt worden war.
    Nachdem ich eine geschlagene Stunde in diesem feuchten, gekachelten Loch gesessen hatte, ohne daß Wendy aufgetaucht war, war ich sicher, daß sie mich reingelegt hatten.
    Nun, ich war nicht zum erstenmal ausgetrickst worden und gewiß nicht zum letztenmal. Tatsächlich hatte ich sogar damit gerechnet, hatte aber gedacht, daß es das Risiko wert sei. Schließlich hatten die Lebensmittel mich nicht viel gekostet. Trotzdem fühlte ich mich mies. Irgendwie hatte ich mir von ihnen etwas Besseres erhofft.
    Ich stieg wieder nach oben und kehrte in mein Wohnabteil zurück und begriff zum erstenmal, was für ein unmöglicher Job das war: ein Kind ohne Identität zu suchen, ein Mädchen, das nicht wußte, wer es war, ohne Bild von ihr, noch nicht mal mit irgendeinem besonderen Merkmal, an dem ich mich orientieren konnte.
    Und dafür hatte ich auf das Leben eines reichen Müßiggängers verzichtet. Manchmal denke ich, daß ich komplett verrückt bin.

 
4
     
    Als ich die Beleuchtung in meinem Wohnabteil anknipste, krabbelte Iggy über den Fußboden und erlegte eine fliehende Kakerlake, zog sich

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